Mit 19 Jahren verließ Ahmed Abumarahil seine Heimat im Gazastreifen. Er hat die Chance bekommen, in Deutschland zu studieren. Ein Privileg in seiner Heimat.
Wie findest du es, in Deutschland zu studieren?
Ahmed Abumarahil: Man findet in Deutschland alles, was man braucht. Ich kann hier studieren und meinen Traum verwirklichen, Arzt zu werden. Im Gegensatz dazu, was man in Gaza erreichen kann.
Wie muss man sich das Studieren in Gaza vorstellen?
Die Universitäten in Gaza sind nicht gut. Aber kaum einer kann zum Studieren ins Ausland. Das wichtigste ist Geld. Und dass man Verwandte in dem Land hat, in dem man studieren will. Ich habe ein paar Verwandte in Deutschland. Mein Onkel arbeitet in Mainz als Arzt und mein Großvater ist Professor an der Universität Marburg. Sie unterstützen mich hier in Deutschland finanziell. Die wenigsten haben die Möglichkeiten, die ich habe.
Was machen diejenigen, die in Gaza bleiben?
Die Mehrheit in meinem Alter macht nichts. Sie sitzen einfach auf der Straße. Sie haben keine Chance, etwas in Gaza zu machen.
Woran liegt das?
Weil Gaza besetzt ist und es fast jedes Jahr Krieg mit Israel gibt. Es gibt dort auch keine Arbeit. Mein Vater zum Beispiel: Er arbeitet seit drei Jahren nicht mehr. Er ist Ingenieur, aber durch die Handelsblockade von Israel hat er keine Materialen für seine Arbeit. Selbst diejenigen, die studiert haben, bekommen keine Arbeit. Die Leute in meinem Alter fragen sich, warum soll ich dann überhaupt
studieren? Für was denn? Also studiert dort auch keiner. Das hat schlimme Folgen.
Möchtest du nach dem Studium wieder zurück nach Gaza?
Ich möchte eigentlich zurückgehen, damit ich etwas für mein Land tun kann. Aber das Reisen nach Gaza ist ein kompliziertes Thema.
Kannst du das genauer erklären?
Alle drei Monate werden die Grenzen in Gaza nur für einen Tag geöffnet. Wenn ich nach Gaza fliegen wollte, bräuchte ich mindestens vier Monate, damit ich reinkommen und wieder rausgehen kann. Das ist ein Semester, das ich verpassen würde.
Wie siehst du die Zukunft deines Landes?
In Gaza kann man nicht leben. Du hast jeden Tag nur für ein paar Stunden Strom, du findest keine Arbeit und du kannst nicht frei ein- und ausreisen. Meine Heimatstadt, Al-Nuseirat, liegt in der Mitte des Gazastreifens und ist im Krieg eigentlich immer sicherer gewesen als Gaza-Stadt im Norden oder Khan Yunis im Süden. Aber beim Krieg letzten Sommer war meine Region am schlimmsten betroffen. Es war das erste Mal, dass bei uns Bomben eingeschlagen sind. Das ist Wahnsinn. Meine Generation will so nicht leben. Ich hoffe, die Situation wird sich verbessern.
Das Gespräch führte Niklas Feil
[box type=“shadow“ ]
Der Gazastreifen
Lage: Der Gazastreifen ist ein Küstengebiet zwischen Israel und Ägypten. Mit 360 Quadratkilometer ist der Gazastreifen fast so groß wie Köln, hat aber mit 1,8 Million Einwohnern nahezu doppelt so viele. Die Hauptstadt ist Gaza-Stadt.
Geschichte: Der Gazastreifen gehört mit dem Westjordanland zu den Palästinensischen Autonomiegebieten, die seit dem Sechstagekrieg 1967 von Israel besetzt sind. 2005 zog sich Israel aus der Region zurück, kontrolliert aber seitdem die Grenzen zu Land, Luft und See. Seit 1964 vertritt die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) die Interessen der Palästinenser. Die beiden stärksten Parteien sind die säkular ausgerichtete Fatah und die radikalislamische Hamas. Seit 2006 regiert die Fatah im Westjordanland, die Hamas im Gazastreifen. Der bürgerkriegsähnliche Hamas-Fatah-Konflikt 2007 führte zu einer Spaltung der Palästinensischen Autonomiegebiete. 2014 schlossen beide Parteien einen Versöhnungspakt, um eine Einheitsregierung zu bilden. Auslöser des letztjährigen Krieges war die Ermordung von drei israelischen Jugendlichen und der mutmaßliche Rachemord an einem Palästinenser. Die Verhandlungen der palästinensischen Parteien zur Bildung einer gemeinsamen Regierung wurden eingestellt und eine unbefristete Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas festgelegt. [/box]