Viele Städter sehnen sich nach frischem Gemüse aus Eigenanbau. Kleingärten zum Mieten machen dies nun in Heidelberg möglich.
Seit Tagen lag die drückende, lähmende Hitze des Sommers über den Feldern. Nun aber hat es abgekühlt, am Himmel hängen ein paar langersehnte Wolken. Darunter erstreckt sich das Feld, sattes Grün sprießt in wohlgeordneten Reihen aus der Erde hervor, im Hintergrund erheben sich die Ausläufer des Odenwaldes.
Das Feld liegt einsam in der klaren Morgenluft, noch ist niemand hier. Denn es sind keine Bauern, die es bewirtschaften, sondern Hobbygärtner: Studenten und Rentner, junge Familien und Arbeitnehmer. Sie alle haben sich einen kleinen Garten auf einem Feld am Rande Heidelbergs gepachtet, um sich als Gärtner zu versuchen und hier, abseits der Stadt, mitten in der Natur, ihr eigenes Gemüse anzubauen.
Vor sechs Jahren gründeten zwei junge Frauen die Initiative „meine Ernte“, um Eigenversorgung und gesunde Ernährung zu fördern.
Damit haben sie offenbar einen Trend entdeckt: Inzwischen verpachtet ihr Verein Felder in etlichen deutschen Großstädten, darunter Berlin, Hamburg und Frankfurt. In Zeiten, in denen es vor allem junge Menschen vom Land in die Städte zieht, scheinen sich viele zugleich nach ein wenig Landleben zurückzusehnen. Das Gärtnern bedeutet viel Arbeit, verspricht aber im Gegenzug Gemeinschaft, Bewegung an der frischen Luft, gesundes Essen aus eigenem Anbau – und nicht zuletzt das erhebende Gefühl, am Ende das Produkt seiner eigenen Arbeit genießen zu können.
Inzwischen gibt es deshalb auch in Heidelberg solche Gärten. Sie liegen im Neuenheimer Feld, hinter dem Sportzentrum Nord, umgeben von Pferdekoppeln, Getreidefeldern und Obstwiesen.
Das Gelände gehört der Biobaumschule Wetzel, die eine Fläche von insgesamt zwei Hektar zur Verfügung stellt. Eingeteilt ist sie in fünfzig gleich große, längliche Parzellen. Für knapp 200 Euro pro Saison kann jeder einen dieser Gärten mieten und bearbeiten. Die Parzellen sind zwei Meter breit und 20 Meter lang, dazwischen verlaufen schmale Fußwege. Sie sind alle gleich aufgebaut: Zuerst kommt ein Wunschbeet, das man nach eigenen Vorlieben bepflanzen kann, dahinter folgen in vorgegebener Reihenfolge verschiedene Gemüsesorten. Diese Aufteilung wird von „meine Ernte“ übernommen, ebenso wie die Vermietung der Gärten. „Wir stellen nur das Feld zur Verfügung“, erklärt Frank Wetzel, Besitzer der Baumschule und Verpächter der Flächen.
„Um die Verwaltung kümmern wir uns nicht, das wäre auch zu viel Aufwand neben unserem Betrieb.“ Mitte März werden die Parzellen von einem Gärtner vorbestellt, im April findet dann ein Einführungswochenende statt. Von da an übernehmen die Hobbygärtner. Auf Wunsch erhalten sie Ratschläge und Werkzeuge, einmal pro Woche findet eine Sprechstunde statt.
Die Gärtner gehören allen Altersgruppen an, auch Studenten und junge Familien sind dabei. Einige teilen sich ihre Beete zu dritt oder viert. Grundsätzlich bleibt einem selbst überlassen, wie man sein Feld bestellt, deshalb finden sich gepflegte neben eher verwilderten Gärten. Ein paar Grundregeln gibt es aber: So dürfen etwa nur Biosaatgut und -setzlinge verwendet werden.
Was wann angebaut wird, richtet sich grob nach dem Lauf der Jahreszeiten, aber auch stark nach der Witterung. „Genau im Voraus planen lässt sich das nicht“, so Wetzel. Generell sei es sinnvoll, sich zwei oder drei Mal pro Woche um das Feld zu kümmern.
Die Arbeit bringt Spaß und frisches Gemüse. Finanziell lohnt es sich nicht. „Das, was ich ernte, reicht gerade mal zur Selbstversorgung“, erklärt eine Studentin, die einen der Gärten gemietet hat. „Gelegentlich bleibt etwas übrig, was ich dann an Freunde verschenke.“ Im Herbst werden die letzten Ernten eingefahren, im Oktober das Feld stillgelegt und abgegeben. Dann ruhen die Arbeiten für ein halbes Jahr.
Wird sich der Trend halten? Es ist zumindest wahrscheinlich. Schon das „Urban Gardening“, die Begrünung der Innenstädte, zeugt von einer neuen Sehnsucht nach Natur. Solange Menschen das Bedürfnis haben, der Stadt zu entfliehen und ihre eigenen Lebensmittel anzubauen – solange wird es auch die Felder am Rande Heidelbergs geben.
von Michael Abschlag