Ende Juli macht die Kultkneipe „Häll“ zu. Hintergründe und Zukunft sind unklar, doch es kursieren etliche Gerüchte.
Der Heidelberger Kneipenszene steht ein weiterer Verlust bevor: Kurz vor dem fünfjährigen Jubiläum der alternativen Tanzkneipe verkündete Besitzer Pascal Pisar Anfang Juni seine Entscheidung auf der Homepage des „Häll“ und leitete die „closing weeks“ ein. Während Pisar in seinem Online-Auftritt lediglich schrieb, dass er nach langen und andauernden Überlegungen keine andere Lösung gesehen habe, hielt er sich auch im direkten Gespräch zu den Beweggründen seines Entschlusses zurück. „Ich möchte dazu nur sagen, dass es meine freie Entscheidung gewesen ist“, betont der 36-Jährige.
Dementsprechend überrascht und ungläubig fielen die Reaktionen der Gäste des „Häll“ aus, bei denen die Kneipe am Kirchheimer Weg seit langem Kultstatus genießt. „Somit ist Heidelberg wieder um eine kulturelle Nische ärmer“, schreibt ein Facebook-Nutzer, während ein anderer bedauert: „Wo gibt es schon einen Laden, an dem man abspacken und gutes Bier kaufen kann?“ Neben den zahlreichen Trauerbekundungen rätselten viele User über die Gründe, die zur Schließung führten. Dabei kursieren nicht nur im Internet Gerüchte, dass man im „Häll“ neben finanziellen Engpässen auch mit den Flüchtlingen aus den angrenzenden Patton Barracks ein Problem gehabt habe. Tatsächlich sind in den ehemaligen G.I. Kasernen seit Januar rund 100 Flüchtlinge untergebracht, wie Christina Euler vom Amt für Öffentlichkeitsarbeit bestätigt. Zu den Hintergründen der Schließung konnte aber auch sie sich nicht äußern, da man im Rathaus keine Informationen seitens des Wirts erhalten habe.
Selbst in der direkten Nachbarschaft wurde man vom Ende der Musikkneipe überrascht, die vor allem für ihre regelmäßigen Indie-Konzerte gefeiert wurde. Gilbert Jakkomuthu, der mit seiner Familie gegenüber vom „Häll“ wohnt, zeigt sich betroffen: „Pascal ist so ein super Typ, er sollte auf jeden Fall weitermachen“, äußert sich der dreifache Vater. Auch sein Nachbar Hans-Jürgen Ries betont sofort das gute Verhältnis zwischen Anwohnern und Wirt: „Klar, ab und zu standen mal ein paar Flaschen rum, aber ansonsten war alles im Rahmen“, konstatiert der Familienvater. Warum das „Häll“ nun schließt, weiß auch er nicht. Allerdings berichtet er, dass vor kurzem ein neuer Türsteher eingestellt worden sei. „An der neuen Türsteher-Politik haben sich einige Menschen gestört“, erklärt Ries. Ob nun tatsächlich die Bewohner der Patton Barracks Auslöser für die verschärften Einlass-Kontrollen waren, konnte er ebenso wenig beurteilen wie Norbert Schätzle von der Heidelberger Polizei. „Die uns vorliegenden Zahlen zeigen keinen Anstieg von Anzeigen rund um die Kneipe“, betont der Polizeisprecher. Dass aber Taschendiebstähle zugenommen haben, gab er offen zu. „Fakt ist, dass je mehr Flüchtlinge in den Patton Barracks untergebracht werden, desto größer werden die Spannungen dort“, bilanziert Schätzle.
Welche Gründe auch immer hinter Pisars Entscheidung stecken, mit dem „Häll“ verschwindet einer der letzten Orte außerhalb der Altstadt, wo junge Leute ungestört feiern konnten. Die Kneipe, die Pisar mit einem Partner bereits 2005 unter dem Namen „Zum Teufel“ übernommen hatte, war für sein außergewöhnliches Musikprogramm, lange Tanznächte und moderate Eintritts- und Getränkepreise bekannt. Das Ende des „Häll“ wird deshalb wohl Auswirkungen haben, die über die Grenzen der Bahnstadt hinaus zu spüren sein werden. Zum einen musste Pisar seinen acht Angestellten kündigen. „Da floss bei einigen eine Träne“, erinnert sich der Wirt. Aber auch die Gäste werden sich schweren Herzens nach Alternativen umschauen müssen. Wahrscheinlich werden sie in die ohnehin schon überfüllte Altstadt drängen. Doch bis sich die lärmgeplagten Bewohner der Altstadt über die feierwütigen Besuchern des „Häll“ ärgern müssen, will man im Kirchheimer Weg das machen, für was man bekannt ist: „Richtig auf den Putz hauen.“
von Felix Hackenbruch