Bis ins Jahr 1700 geht die Tradition der Kalenderberechnung im Astronomischen Recheninstitut in Neuenheim zurück. Ein Besuch im Sternenpark.
„Ich arbeite in Futur III“ sagt Robert Schmidt zum Abschied und meint damit den Umstand, dass seine Kalenderberechnung stets drei Jahre im Voraus von seinen Kunden nachgefragt wird – dann aber erst drei Jahre später in der Bevölkerung von Interesse ist. Robert Schmidt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Astronomischen Recheninstitut (ARI), das neben dem Institut für Theoretische Astrophysik und der Landessternwarte Königstuhl das Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg bildet.
Zwar nicht eine der bedeutendsten, aber interessantesten Aufgaben des ARI ist die alljährliche Berechnung der Kalenderdaten. Sie stellt eine Service-Dienstleistung für die deutschen Verlage dar, die die Kalenderdaten in der gedruckten Publikation „Astronomische Grundlagen für den Kalender“ für rund 65 Euro erwerben können (Auflage: 200 Stück). Wahlweise werden die Daten gegen Aufpreis auch auf einer CD-ROM mitgeliefert. In dieser Publikation finden sich dann alle für die Veröffentlichung von Kalendern relevanten astronomischen Daten zusammengestellt: Neben den genauen Uhrzeiten der Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sind auch die christlichen beweglichen Feiertage einschließlich der einzigen Heiligenfeste der katholischen und evangelischen Kirchen aufgeführt. Bei diesen liturgischen Fragen greift Schmidt auf die Hilfe einer katholischen Theologin zurück.
Die Berechnung selbst erfolgt mit Hilfe eines von den Mitarbeitern des ARI vor Jahren selbst programmierten Computerprogramms und dauert weniger als eine Minute. Allerdings werden anschließend von Hand noch Korrekturen vorgenommen sowie die Ergebnisse überprüft. Von daher dauert der gesamte Prozess rund zwei Wochen. Das Computerprogramm wird von Robert Schmidt mit sogenannten Ephimeriden-Daten gefüttert. Diese werden von der NASA bereitgestellt und enthalten die exakten Planetenpositionen zu jedem Zeitpunkt in den Jahren von 1599 bis 2169. Aus diesen Rohdaten können dann die genauen Uhrzeiten der einzelnen Himmelsereignisse ermittelt werden.
Heute zählen rund 170 Verlage zu den Kunden des ARI. Auch wenn dem Institut mit ihren Grundlagen eine faktische Monopolstellung in Deutschland zukommt, besteht diese von einem rechtlichen Standpunkt aus betrachtet heutzutage nicht mehr. Zu früheren Zeiten war dies jedoch der Fall: In dem „Kalenderpatent“ vom 10. Mai 1700 verlieh Kurfürst Friedrich III. (der spätere König Friedrich I. in Preußen), der kurz darauf gegründeten Akademie der Wissenschaften zu Berlin ein monopolartiges Privileg zur Herausgabe von Kalendern in seinem Staat. Diese Dienstleistung stellte damals die finanzielle Ausstattung der Akademie sicher. Aufgrund der gestiegenen Arbeitsbelastung mit den Berechnungen wurde 1874 das Recheninstitut zur Herausgabe des Berliner Astronomischen Jahrbuches gegründet.
Nach 1945 wurde der Hauptteil des Instituts von den amerikanischen Armeetruppen nach Heidelberg verlegt, sodass es nunmehr in Heidelberg-Neuenheim als staatliches Forschungsinstitut des Landes Baden-Württemberg seinen Aufgaben nachkommt. Die Herausgabe der Kalendergrundlagen ist heutzutage lediglich noch eine Nebentätigkeit, auch wenn ihre Ergebnisse letztlich in fast jedem Kalender und in fast jeder Tageszeitung in Deutschland abgedruckt werden. Ist die Berechnung einmal vorgenommen, widmet sich Robert Schmidt seiner Forschung über den Gravitationslinseneffekt.
Von Malte Krohn