Weniger Veranstaltungen, kürzere Öffnungszeiten der Bibliotheken: Die Fächer der Uni bangen um ihre Finanzierung. Auch das Mitspracherecht der Studenten leidet.
Gerüchte kursieren schon seit Monaten, allmählich werden die Ausmaße der Einschnitte ersichtlich: Den Fakultäten der Uni Heidelberg drohen erhebliche Kürzungen in Studium und Lehre. Ab dem kommenden Semester müssen sich die Studenten unter anderem auf ein geringeres Veranstaltungsangebot sowie kürzere Öffnungszeiten der Institutsibliotheken einstellen. Fast alle Fachrichtungen sind von den Einschränkungen betroffen.
Im Rahmen des Hochschulfinanzierungsvertrages „Perspektive 2020“ werden im Laufe des Jahres die Qualitätssicherungsmittel (QSM) in die Grundfinanzierung der Universitäten überführt. Bisher wurden 20 Prozent der Mittel zentral an das Rektorat vergeben und flossen in die Grundaustattung der Uni, die verbleibenden 80 Prozent gingen auf Grundlage der Zahl der eingeschriebenen Studenten als dezentrale Mittel direkt an die Fakultäten.
Gemäß Informationen des ruprecht bleiben nach der Neuregelung etwa 39 Prozent beim Rektorat, knapp 50 Prozent werden direkt an die Fakultäten verteilt. Die übrigen 11,7 Prozent werden zukünftig über die Verfasste Studierendenschaft (VS) vergeben. Diese diskutiert momentan verschiedene Modelle, nach denen das Geld verteilt werden kann. Im StuRa liegen dazu zwei Anträge vor: Einer schlägt die vollständig dezentrale Verteilung pro Kopf an die Fachschaften vor, der andere eine Aufteilung in 80 Prozent dezentrale und 20 Prozent zentrale Mittel. Letztere müssten dann von einer Kommission des StuRa auf Anträge der Fachschaften vergeben werden. Einig zeigen sich die studentischen Vertreter darin, dass kleinere Fächer nicht benachteiligt werden sollen. Bei dezentraler Verteilung würden kleinere und größere Fachschaften finanziell kooperieren können; bei teilweise zentraler Vergabe soll der gemeinsame Topf für Solidarität sorgen. Über welchen Weg dieses Ziel besser erreicht werden kann, ist noch stark umstritten.
Die Grundfinanzierung der Universität steigt um 3 Prozent. 7,2 Millionen der Gesamtsumme von 14,5 Millionen Euro werden wohl direkt an die Fakultäten vergeben. Das Rektorat erhält vermutlich 5,6 Millionen, die VS verfügt über 1,7 Millionen. Von nun an müssen die Gelder nicht mehr wie bei der Verwendung als QSM zweckgebunden für Studium und Lehre ausgegeben werden. Ebenso entfällt die bisherige studentische Mitbestimmung, die in Heidelberg über QSM-Kommissionen erfolgte. Der studentische Einfluss auf die Vergabe der Mittel reduziert sich nun auf den Anteil von 11,7 Prozent, über deren Verausgabung die VS entscheiden kann.
Die Fakultäten bereiten sich schon auf die finanziellen Einschnitte vor. Die juristische Fakultät geht davon aus, dass zukünftig lediglich 53 Prozent der bisherigen Mittel zur Verfügung stehen werden. Dies bedeute unter anderem, dass Arbeitsgemeinschaften gestrichen werden müssten und sich die Bücheranschaffungen um etwa 25 Prozent reduzieren würden. „Wir werden weiter mit Nachdruck versuchen, die Auswirkungen der Kürzungen so gering wie möglich zu halten“, äußert sich die Fachschaft auf ihrer Facebook-Seite. In Zusammenarbeit mit anderen Fakultäten ist eine gemeinsame Protestaktion gegen die Kürzungen geplant.
Auch dem Historischen Seminar wird in Zukunft weniger Geld zur Verfügung stehen. Es kalkuliert mit etwa 50 Prozent der bisherigen Mittel. Damit würden mehrere Lehraufträge für das Grundlagenstudium ausbleiben. Weiterhin entfällt die bisherige Bezuschussung von Exkursionen sowie die Unterstüzung des Bibliotheksetats.
In der VWL ist sogar das Angebot von Pflichtveranstaltungen betroffen. Während im laufenden Semester für die Einführung in die VWL für 800 Teilnehmer 10 Übungen zur Vorlesung angeboten wurden, werden im Winter vermutlich nur noch zwei Übungen finanzierbar sein. Felipe Corral aus der VWL-Fachschaft stellt in Aussicht: „Voraussichtlich wird die Bibliothek Bergheim nur noch montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr geöffnet sein können.“
Auch für kleinere Institute wie Soziologie oder Musikwissenschaft hat der Wegfall der Mittel Konsequenzen. Beide sehen die Studierbarkeit ihres Faches in Gefahr. Im schlechtesten Fall sei es nicht mehr möglich das Fach in Regelstudienzeit abzuschließen, äußert sich Marvin Wittemann von der Fachschaft Musikwissenschaft. Eva Lindemann von der Fachschaft Soziologie betont, dass man sich definitiv an der Protest-aktion beteiligen werde.
Nachdem die Uni-Einrichtungen nun über den Rahmen der Kürzungen in Kenntnis gesetzt wurden, werden noch in dieser Woche die Dekane über die genaue Verteilung der Mittel für die Jahre 2015 und 2016 informiert, teilte Uni-Sprecherin Marietta Fuhrmann-Koch dem ruprecht mit.
von Hannah Bley, Jesper Klein und Simon Koenigsdorff