Rasant und spontan entstehen die Bühnenprodukte der Improtheatergruppe „Kopfsalat“. Fehler? Gibt es nicht.
Steht bitte auf und tastet euch gegenseitig nach Waffen ab!“, lautet die erste Anweisung. Was wie eine etwas misslungene Sicherheitskontrolle am Flughafen anmutet, ist in Wirklichkeit der Auftakt zum Krimi-Abend der Improtheatergruppe „Kopfsalat“. Die dreiköpfige Truppe bespielte am 26. Juni wieder die Bühne des „tikk“ mit einem neuen Fall des berüchtigten Ermittler-Duos Fochs und Hintermann: der schmuddelige Hauptkommissar mit bedenklichem Hang zu selbstgebranntem Birnenschnaps und sein untergebener Zuarbeiter mit literarischer Ambition.
Die Waffensuche im Publikum ist beendet und die Zuschauer stellen ihre Tascheninhalte als Requisiten bereit. So findet mein kleines, abgelesenes „Romeo und Julia“-Heftchen den Weg auf die Bühne. Als das Setting vom Publikum entwickelt ist, betreten Nathan Hüsken und Konrad Lamour die Bühne.
Szene für Szene hangeln sich die beiden Darsteller in den unterschiedlichsten Rollen anhand von Requisiten und Setting-Angaben durch den Fall. Umrandet, begleitet und kommentiert wird das Spektakel vom dritten Mitglied der „Kopfsalat“-Truppe, Moritz Vondano. Er bedient eine Maschine, die man nicht einfach Keyboard oder Soundmaschine nennen darf. Neben der Stimmungsmusik regelt das selbstgezimmerte Ungetüm zudem Licht, Ton und sämtliche Spezialeffekte.
Alle drei spielen sich die Bälle geschickt zu oder legen einander voller Vergnügen Stein um Stein in den Weg und freuen sich diebisch, wenn der andere den Ball zurückspielt oder über den Stein stolpert. Dass manchmal das Lachen nur schwer unterdrückt werden kann, der Fall hin und wieder haarsträubende Wendungen annimmt und die eine oder andere Szene doch leicht fehlplatziert wirkt, stört kaum. Es bereitet geradezu noch mehr Vergnügen.
Und genau das ist es, worauf das Trio Wert legt: „Wir sind Verfechter einer positiven Fehlerkultur“, erklärt Moritz. In der Spontaneität gibt es keine Fehler. Was vermeintlich schief geht, ist geschehen, damit wird weitergemacht. Das bekommt man auch im Improvisations-Workshop am nächsten Tag zu spüren: Wer perfekt sein will, hat verloren. Denn Moritz treibt jeden unablässig an die Grenzen seiner Kreativität, bis einem nichts mehr einfällt. Nur um zu zeigen, dass dann doch wieder Ideen kommen. Neben Auftritten wie dem Krimi im „tikk“ ist „Kopfsalat“ also auch in anderen Formaten zu erleben. Sie gestalten Workshops und lehren Improvisation in Unternehmen und Kitas – wohlgemerkt mit dem gleichen Handwerkszeug.
Zum Hauptberuf reicht es dennoch nicht. Zur Zeit leben die drei vornehmlich von ihren eigentlichen Berufen: Lehrer, Informatiker und Bühnentechniker. Doch wohin es sie zieht, ist offensichtlich. „Wir wollen nicht aufhören und uns immer weiterentwickeln“, sagt Nathan. Das bedeutet harte Probenarbeit. Denn auch wenn auf der Bühne das Stück spontan entsteht, so müssen sie ihr Timing finden, Charaktere entwickeln, Handlungsgebäude errichten.
Aber zurück zum Krimi: Ich muss schmunzeln, als sich die Handlung langsam aber sicher hin zur tragischen Liebesgeschichte zwischen den Kindern zweier verfeindeter Großhändler verdichtet und am Ende sogar die Worte „zwei Familien, beide gleich an Rang, im schönen Sankt Peter-Ording, unseren Schauplatz“ Einzug in das Stück halten.
Als sich zum Schluss der Vorstellung doch noch fast alle Fäden zu einem überraschend plausiblen Tathergang verstricken lassen, scheinen die Darsteller selbst erstaunt. Dass der zwischenzeitlich als tatverdächtig verhaftete singende Surfer noch immer im Knast schmort, kümmert dann niemanden mehr.
von Christina Deinsberger