Freie Meinungsäußerung ohne Konsequenzen – „Jodel“ macht’s möglich. Ein Kurznachrichtendienst für Studierende „gegen den übertriebenen Personenkult in sozialen Netzwerken“, so beschreibt es der Gründer Alessio Avellan Borgmeyer. Oder, um es mit den Worten eines Nutzers zu sagen: „Jodel ist die moderne Klowand.“
Entwickelt wurde die kostenlose App von Studierenden der RWTH Aachen; mehr als 400.000 User in ganz Europa kann das Start-Up nach einem knappen Dreivierteljahr verbuchen. Man braucht kein Profil, um Inhalte zu veröffentlichen, alles läuft über einen anonymen Newsfeed. Auf Anonymität folgt, wer hätte es gedacht, eine andere Beitragskultur als beispielsweise bei Facebook oder Twitter. Weniger Selbstdarstellung, dafür peinliche Alltagserlebnisse und intime Geständnisse. Beiträge können „upgevotet“ und „downgevotet“ werden, bei zu vielen Downvotes wird der Post gelöscht. Als User erhält man alle Beiträge in zehn Kilometern Umkreis. Viele der Heidelberger Posts haben einen Bezug zu der Stadt und deren Studentenleben.
Zuletzt dominierten Beschwerden über die nordpolähnlichen Temperaturen in der UB; während der Hitzewelle der darauffolgenden Woche quoll „Jodel“ dann über vor dankbaren Posts über die dortige Klimaanlage. Wirklich interessanten Klatsch und Tratsch über die Uni erfährt man nicht, stattdessen wird fleißig über die Kommilitonen hergezogen. „Du weißt, du studierst das Falsche, wenn du in der Vorlesung sitzt und das einzige, das du denkst, ist: Igitt, Juristen.“ Zwischendurch stellt ein Jodler eine Frage, in den Kommentaren wird dann darüber diskutiert; zum Beispiel, ob man im Neckar baden sollte oder lieber nicht.
Ab und an stößt man auf einen Beitrag, der einen „Süßen aus der vorderen Reihe im Heuscheuer“ preist, auch wenn sich „Jodel“ aufgrund der Anonymität wohl eher schlecht für Flirtversuche eignet. Private Nachrichten sind nicht möglich, einzig Kommentare können hinterlassen werden. Es ist eine Anlaufstelle für schüchterne Komiker, Lästermäuler und Hobbyphilosophen, eben für diejenigen, die ansonsten gerne auf Klowände schreiben.
Von Johanna Lübke