Die Heidelberger Literaturtage sind eine gute Sache. Aber ihr Publikum …
Alle Jahre wieder. Wird das in die Jahre gekommene, atmosphärische Spiegelzelt am Uniplatz aufgestellt und werden mehr und weniger bekannte, internationale und regionale, provozierende und konforme Autorinnen und Autoren nach Heidelberg geholt. Die Literaturtage sind eine schöne Veranstaltung. Aber auch eine elitäre Veranstaltung. „Es wäre schön, wenn wir die erreichen, die Literatur vielleicht mehr brauchen, als die, die hier sitzen“, sagt Oberbürgermeister Würzner mit überraschender Klarheit bei der Eröffnung. Und spricht damit ein Kernproblem der Literaturtage an – ihr Publikum. Die Studierenden sind spärlich – was auch an den Preisen liegen könnte, sieben Euro kostet eine ermäßigte Karte für eine Lesung – , das Publikum ist gehobenen Alters, Diskussionen entstehen kaum, nur wenige Fragen werden im Anschluss an die Lesungen gestellt, manchmal auch gar keine. Das ist schade. Denn unter den Schreibenden finden sich durchaus hochkarätige, hochinteressante Persönlichkeiten.
Da war Lutz Seiler, der die Eröffnung der Literaturtage als Abschlussveranstaltung seiner Poetikdozentur bestritt. Er liest aus seinem Abenteuerroman „Kruso“, der unter anderem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, wirkt dabei etwas angeschlagen, aber sein Vortragsstil und die Story überzeugen. Dann war da die Aserbaidschanerin und Wahldeutsche Olga Grjasnowa, die mit sanfter Stimme erklärte, dass sie grundsätzlich nicht an Heimat glaubt. Und hochschwanger aus ihrem Buch „Die juristische Unschärfe einer Ehe“ liest, in dem sich so schöne Sätze finden wie: „Man muss auf keine Midlifecrisis warten, man kann sein Leben auch schon mit Mitte 20 wunderbar gegen die Wand fahren.“
Ein Highlight der Literaturtage war auch die indische Schriftstellerin und Aktivistin Meena Kandasamy, deren Gedichtesammlung „Fräulein Militanz“ im Heidelberger Wunderhorn Verlag erschien. In ihren Gedichten holt sie die ganze Ungerechtigkeit des Kastensystems und die Frauenverachtung der indischen Gesellschaft ins Spiegelzelt. Wahrscheinlich komme sie zwar demnächst ins Gefängnis, aber das könne sie dann wenigstens nutzen, um über die Haftbedingungen in Indien zu schreiben, erklärt sie energisch. Gegen diese Relevanz und Authentizität kommen andere, wie Albert Ostermaier mit seinem Text „Lenz im Libanon“ – Büchner trifft auf ein Übermaß an Alliteration und Pathos – nicht an. Aber in jedem Fall: Dieser bunten Mischung an Schriftstellerinnen und Schriftstellern würde ein bunteres Publikum guttun!
von Dorina Marlen Heller