Ein verdeckter Ermittler, der sich in linke Studierendengruppen in Heidelberg hineinschmuggelt, eine Wanze in Universitätsräumen platziert und seine Informationen an das Landeskriminalamt weiterleitet: Was sich anhört wie ein Spionagethriller oder Fernsehkrimi, war in Heidelberg im Jahr 2010 Realität.
„Simon Brenner“, Polizist unter falschem Namen, hatte sich damals in Heidelberg als Germanistikstudent eingeschrieben und sich bei verschiedenen linken Gruppierungen, besonders beim SDS engagiert. Er freundete sich mit mehreren Aktiven an, nahm an Demonstrationen teil und organisierte sie selbst. Doch hinter dem Rücken der Bespitzelten gab er Informationen über die linke Szene in Heidelberg, Namen, Mitgliedschaften, Bekanntschaften an das LKA Stuttgart weiter. Selbst eine Wanze platzierte er in Räumen der Studierendenvertretung. Ende 2010 wurde Brenner dann zufällig enttarnt und von seinen Bekannten zur Rede gestellt.
Sieben damalige Betroffene klagen nun vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe gegen den Einsatz. Sie halten ihn für unverhältnismäßig und fordern Aufklärung. Am vergangenen Mittwoch wurde der Fall zum ersten Mal verhandelt – und das Gericht ließ bereits durchblicken, dass es den Klägern wahrscheinlich Recht geben wird. Von den Zielpersonen sei wohl keine konkrete Gefahr ausgegangen, so die Vorsitzende Richterin. Das jedoch wäre eine gesetzliche Voraussetzung für eine Bespitzelung. Die Polizei gibt an, mit dem Einsatz hätten „politische Straftaten“ verhindert werden sollen. „Dass von mir so eine Gefahr für Leib und Leben von anderen Personen ausgeht, das ist natürlich absolut skandalös“, sagte dagegen Michael Dandl, damals eines der Hauptziele von Brenner, dem SWR. Auch das Gericht sieht die Tatsache, dass im Keller eines Bekannten von Dandl Molotowcocktails gefunden worden waren, nicht als ausreichenden Grund an.
Die Studierendenvertretung der Uni Heidelberg unterstützt die Klage gegen das Land Baden-Württemberg, auch ein Arbeitskreis hat sich dafür gegründet. Mit einer Positionierung und einer Demonstration, die am vergangenen Samstag in Heidelberg stattfand (wenn auch mit geringer Beteiligung), wollen die studentischen Vertreter auf eine weitere Dimension der Spitzelaffäre hinweisen: Ihrer Ansicht nach bespitzelte Brenner in weitaus größerem Umfang, als bislang offiziell zugegeben wird. Da er auch über zahlreiche Dritte aus dem Umfeld seiner Zielpersonen Informationen gesammelt habe und besagte Wanze in Uni-Räumen platzierte, sei dies eine „faktische Überwachung aller Heidelberger Studierenden“ durch den Staat. Auch Dandl vermutete gegenüber der RNZ, dass es „um die Aufhellung der gesamten linken Szene“ in Heidelberg gegangen sei.
Ob die gesammelten Informationen des Spitzels, die genauen Gründe für seinen Einsatz oder weitere Details durch das Gericht geklärt werden können, ist noch unklar. Viele Polizeiakten zu dem Fall sind immer noch unter Verschluss, und selbst die in der Verhandlung vorliegenden Dokumente sind an zahlreichen Stellen geschwärzt. Das endgültige Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe steht noch aus.
von Simon Koenigsdorff
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