Folgende Szene: Während man spätabends am Bismarckplatz auf den Bus wartet, nimmt man wahr, wie zwei junge Erwachsene auf brutalste Weise auf einen dritten einschlagen. Entsetzt möchte man eingreifen, doch wie?
Das dreistündige Zivilcourage-Training „Schnell weg – zwischen Panik und Gewissen“ möchte Sicherheit vermitteln im Umgang mit solchen Situationen. Veranstalter sind die Vereine Kriminalprävention Rhein-Neckar e.V. und Sicheres Heidelberg e.V. zusammen mit dem Polizeipräsidium Mannheim. Dieses Mal fand es für Mitarbeiterinnen der Universitätsbibliothek statt; die Gruppe traf sich hierfür am Vormittag des 30. September in der UB. Das Seminar leiteten die Erziehungswissenschaftlerin und Theaterpädagogin Stefanie Ferdinand und Reiner Greulich vom Polizeipräsidium Mannheim. Ihr Konzept verbindet Theorie mit Rollenspielen und orientiert sich dabei an sechs Punkten, die in brenzligen Situationen Anhalt bieten:
1. Helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Wir sind per Gesetz verpflichtet, bei einer Straftat im Rahmen unserer Möglichkeiten einzugreifen. Um sich aber nicht in Gefahr zu bringen, ist es wichtig, Distanz zu wahren. Das gilt sowohl im räumlichen als auch im übertragenen Sinne, sodass man Täter niemals duzen, sondern siezen sollte.
2. Andere aktiv und direkt zur Mithilfe auffordern. Statt zu warten bis „irgendjemand schon was tut“ sollte man andere Personen durch gezielte Ansprachen zur Mithilfe bewegen: „Sie, der Herr im roten Pullover und mit der Brille, helfen Sie mir!“ Das schafft Gemeinschaft und somit Sicherheit. Wie die Teilnehmerinnen bei den Übungen bemerkten, erforderte dies sehr große Überwindung.
3. Genau beobachten und Tätermerkmale einprägen. Häufig sind es vermeintliche Nebensächlichkeiten, die später entscheidend für die Aufklärung des Verbrechens sind.
4. Hilfe organisieren über Notruf 110. Je schneller das geschieht, desto besser können Täter überführt werden. In der eingangs genannten Situation könnte man womöglich nicht persönlich eingreifen, ohne sich dabei in Gefahr zu bringen. Umso wichtiger wäre es dann, unmittelbar externe Hilfe über die Notrufnummer einzufordern.
5. Um Opfer kümmern. Bei verletzten Opfern sind eventuell Erste-Hilfe-Leistungen erforderlich. Bei Bedarf sollte ein Rettungswagen gerufen werden.
6. Als Zeuge melden. Denn ohne Zeugen ist es der Polizei nicht möglich Verbrechen aufzuklären.
Was hat Theater mit Zivilcourage zu tun? Stephanie Ferdinand antwortet darauf: „Zum einen spielen die für das Theater essentielle Dinge wie Körperhaltung, Gestik und Stimme eine große Rolle in gefährlichen Situationen mit anderen Personen. Und zum anderen hat das Seminar durch die Rollenspiele Erlebnischarakter. Durch das Nachspielen der Situationen verinnerlichen die Teilnehmenden die Aufgaben.“
Das Ziel des Trainings, betonte Reiner Greulich, könne es natürlich nicht sein, die Teilnehmenden auf alle potentiell möglichen Situationen vorzubereiten. Vielmehr wolle das Seminar ein Bewusstsein für Handlungsweisen schaffen. Er empfiehlt, mentales Training in den Alltag zu integrieren. Dabei kann man sich beispielsweise bei der alltäglichen Fahrt in der Straßenbahn bewusst vor Augen führen, wie man nun vorgehen würde, wenn nun plötzlich eine heikle Situation entstünde. Kommt es dann tatsächlich einmal zu einem Vorfall, kann man routinierter und selbstbewusster reagieren.
Dabei sollte man aber niemals das persönliche Bauchgefühl vernachlässigen, das letztendlich über unser Handeln entscheidet. Das Zivilcourage-Training dient also dazu, das Bauchgefühl mit dem antrainierten Wissen zu untermauern. In einer Situation, wie sie oben geschildert ist, kann man somit schneller und entschiedener reagieren – statt panisch wegzuschauen.
Mehr Informationen unter www.aktion-tu-was.de und www.praevention-rhein-neckar.de. Das nächste öffentliche Zivilcourage-Training findet am 24. Oktober in Weinheim statt.
von Anna Maria Stock