Im Jahr 2007 fanden sich Valeska Steiner und Sonja Glass zum Musikduo Boy zusammen. Mit ihrem ersten Album „Mutual Friends“ schafften sie es 2011 direkt in die Charts und gewannen eine Goldene Schallplatte, den Musikpreis Hans und den European Border Breakers Award. Im Sommer erschien ihr zweites Album „We Were Here“ und darüber sprach Valeska Steiner nun mit unseren Redakteurinnen:
Kannst du das neue Album in drei Wörtern beschreiben?
Valeska Steiner: Blaue Stunde, Funkeln und warm.
Was bedeutet blaue Stunde?
Ich finde es schön, Tageszeiten Lichtstimmungen zuzuordnen und finde, dass das neue Album in die blaue Stunde gehört. Die blaue Stunde ist jeden Tag so ein flüchtiger Moment, der super schön ist, man schaut in den Himmel und denkt sich: Das ist ein schöner Moment: Ich möchte ihn behalten. Das ist die Stimmung, die in den Songs oft Inspiration ist.
Das erste Album war eher ein Tagesalbum, lichtdurchflutet irgendwie. Das zweite würden wir schon eher der Nacht zuordnen oder eben eher dem Beginn der Nacht oder der Morgendämmerung, also es ist auf jeden Fall nicht so richtig Sonnenlicht vorhanden, also eher blaues Licht oder das Funkeln einer Stadt.
Seit dem ersten Album sind nun vier Jahre vergangen. Was habt ihr in der Zeit gemacht und wie ist das zweite Album entstanden?
Nach dem ersten Album waren wir einfach super lange unterwegs. Wir haben zuerst in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich gespielt. Dann kam der Rest von Europa dazu, danach Japan und Amerika. Als wir zurückkamen, haben wir eineinhalb Jahre durchgehend geschrieben. Wir waren im Studio, haben wieder weitergeschrieben, dann wieder ins Studio, haben mit unserem Produzenten Philipp Steinke gearbeitet. Die Zeit ist sehr schnell vorbeigegangen für uns.
Was hat diesen Entstehungsprozess von dem des ersten Albums unterschieden?
Es gab erstaunlich wenig Unterschiede. Uns war es nach der Amerikatour wichtig, wirklich wieder zu Hause anzukommen und alles was passiert ist auszublenden. Einfach, um völlig ohne Druck und ohne einen Gedanken an mögliche Erwartungen wieder zu merken: Worauf haben wir Lust? Was inspiriert uns? Was interessiert uns musikalisch und inhaltlich?
Dann haben wir wieder auf sehr ähnliche Weise geschrieben: Sonja hat musikalisch Ideen entwickelt, ich habe daraufhin Texte dazu geschrieben.
Du sagst, du schreibst viel auf Basis eigener Erfahrung. Fällt es Dir schwer, diese Erfahrungen mit einem ganzen Publikum zu teilen?
Beim Schreiben hat man immer die Freiheit zu entscheiden, wie man schreibt. Natürlich sind die Ursprungsidee und der Grund warum ich etwas aufschreibe immer persönlich. Aber ich schreibe es ja am Ende nicht auf wie einen Tagebucheintrag. Wenn wir mit Leuten über unsere Songs sprechen merken wir, dass sie ganz unterschiedlich verstanden werden. Es ist ein Angebot für den Hörer, seine eigene Geschichte reinzulesen.
Beim letzten Album haben euch manchmal andere Musiker begleitet. Hattet ihr jetzt wieder Unterstützung von außen?
Diesmal haben wir uns mehr auf die Mitglieder unserer Live-Band konzentriert. Thomas Hedlund, der Schlagzeuger von Phoenix, der auf dem ersten Album viel Songs gespielt hat, hat aber auch auf diesem Album wieder bei einem Song getrommelt: bei „Hit my Heart“. Wie beim ersten Album haben wir wieder viel zu dritt mit unserem Produzenten, gemacht.
Spiegeln sich in einer Zusammenarbeit Einflüsse von z.B. einer Band wie „Phoenix“ wieder?
Thomas Hedlund prägt den Stil von Phoenix auf jeden Fall stark. Wie er Schlagzeug spielt ist total besonders und eigen. Das haben wir in den Songs des ersten Albums, die er mit uns aufgenommen hat, natürlich auch wiedergefunden. Den Song auf dem jetzigen Album bei dem er mitgewirkt hat klingt aber nicht sehr nach Phoenix.
Viele Songs beschäftigen sich mit Städten, Reisen, Unterwegssein. War das der thematische Rahmen?
Wir waren natürlich sehr viel unterwegs. Aber wir wollten kein ganzes Album über das Touren schreiben, nur weil es das ist, was wir in den letzten Jahren hauptsächlich erlebt hatten. Stattdessen sind wir zu Hause angekommen und haben uns gefragt: Was passiert dort, was berührt uns und worüber wollen wir erzählen? Es gibt gar nicht so viele Songs, die wirklich vom Reisen handeln. Beim Angucken Trackliste am Ende habe ich bemerkt: Es geht um Zwischenzustände – zwischen zwei Städten, zwei Orten, zwischen zwei Gefühlen, zwischen Tag und Nacht.
Der elektronische Klang des zweiten Albums unterstützt das Nachtgefühl.
Das ist lustig, weil uns das schon mehrere Leute gesagt haben, dass es elektronischer klingt. Aber es gab nicht mehr viel mehr elektronische Instrumente als beim ersten Album. Wir haben mit den gleichen Elementen gearbeitet. Es gab einen Synthesizer, der für Sonja eine große musikalische Inspiration war, mit dem sie viel gearbeitet hat. Vielleicht liegt es daran.
Im letzten Album war „Time“ das „hungry beast“. Jetzt habt ihr einen Song, der „fear“ heißt. Ist nun „fear“ das „hungry beast“?
Das hängt eigentlich nicht richtig zusammen, aber es ist eine schöne Beobachtung. Die Zeit ist wahrscheinlich etwas, das alle Songs durchfließt, weil es eben immer um den Moment geht, um den Wunsch, einen Moment festzuhalten, ihn bei sich zu behalten. Die Angst ist zum Glück nicht für alle Songs die treibende Kraft, Inspiration oder Muse gewesen.
Ihr spielt im November ein Konzert in Heidelberg. Vor ein paar Jahren seid ihr hier schon mal aufgetreten. Verbindet ihr etwas mit der Stadt?
An Heidelberg kann ich mich noch ziemlich gut erinnern: Wir waren sehr gut essen und es ist ja eine sehr schöne Stadt, die noch sehr gut erhalten ist. Wir waren am Tag nach dem Konzert auf einem – das ist jetzt ganz peinlich, weil ich nicht weiß, wie das hieß – aber wir sind so auf eine Festung oder Burg gegangen.
Das Schloss!
Da sind wir hochgelaufen und haben uns die Aussicht angeschaut. Das war sehr schön.
Das Gespräch führten Christina Deinsberger und Margarete Over