Die ehemalige Heidelberger Studentin Tabea Mußgnug veröffentlicht ihr erstes Buch –
einen Leitfaden für orientierungslose
Geisteswissenschaftler.
Letztens hab ich mich wahnsinnig erwachsen gefühlt. Dann hab ich Princess Sparkle, mein rosa Plüsch-Einhorn, im Bett gesehen, und weg war das Gefühl wieder.“ So lauten die ersten Sätze aus „Nächstes Semester wird alles anders“, dem Erstlingswerk der ehemaligen Heidelberger Studentin Tabea Mußgnug.
Klare Ansage: In ihrem Buch geht es um das Erwachsenwerden an der Uni; um Leben und Leiden geisteswissenschaftlicher Studenten. Auf 208 Seiten schildert sie ihr Leben zwischen Abi und Promotion, zwischen Mensa, Bib und Party. Der Umschlagtext nennt das Buch einen „Leitfaden für alle, die wissen, wie es sich anfühlt, wenn man ständig gefragt wird: »Und was macht man dann damit?«“ Wie sich das anfühlt, weiß Mußgnug. Sie studierte Kunstgeschichte, Religionswissenschaft und byzantinische Archäologie. Trotzdem: Ein Leitfaden für Geisteswissenschaftler mit Sinnkrise ist ihr Machwerk nicht wirklich.
Der Anfang des Buchs ist autobiographisch und sein stärkster Teil. Es geht vor allem um die Autorin selbst. Sie beschreibt das Gefühl von Verlorenheit und Zukunftsangst, das keinem ganz fremd ist, der an einer philosophischen Fakultät studiert. Dabei ist sie souverän und eloquent. „Ich kann mir für mich alles oder nichts vorstellen, und eigentlich will ich es auch gar nicht so genau wissen. Meine Berufswünsche pendeln zwischen Nobelpreisträgerin und Hausfrau und erfassen jede Nuance dazwischen.“ Generation Y lässt grüßen. Mit viel Sensibilität, Humor und Ironie offenbart sie dem Leser ihre Odyssee vom naiven Abizeit-Optimismus bis zur Ernüchterung des Ersti-Daseins. So weit, so gut.
Die nächsten Abschnitte widmet Mußgnug jeweils einem unitypischen Thema: Praktika, WG-Leben, Parties und mehr. Und genau hier kippt die Erzählung. Sie wird flach und oberflächlich. Lieblos leiert die Autorin die Themen nach Checkliste runter. Ab diesem Punkt sollte sich der Leser besser am nächstgelegenen Baum festbinden, um nicht von einem Klischee-Hurrikan davon geweht zu werden: Das stille Mäuschen, das keiner im Hörsaal wahrnimmt, der Streber, der sich selbst gern reden hört oder die trostlose Exkursion ins noch trostlosere ländliche Schwaben. Das alles wirkt etwas zu konstruiert. Als würde sich ein Maschinenbau-Student der TU Darmstadt den Alltag einer Kunsthistorikerin in Heidelberg vorstellen. Natürlich spielt Mußgnug bewusst mit Stereotypen. Hin und wieder gelingt es ihr auch, aber der Jurist mit Ralph-Lauren-Hemd und pomadisierter Matte und der Philosoph mit dem Ehrgeiz eines Murmeltiers im Winterschlaf sind einfach zu abgedroschen. Spätestens wenn man auf Seite 44 von einer „Unimaterialientransportstück-Typologie“ ließt, ist das Klischee-Pensum erfüllt.
Erst am Ende des Buchs kann Mußgnug wieder an den gelungenen Anfang anknüpfen. Hier schreibt sie wunderschön melancholisch über das Ende ihres Studiums und den Schritt ins Leben danach. Vielleicht sogar zu melancholisch. Auf eine typische Warum-studiere-ich-dieses-Fach-eigentlich-Depression wirkt der letzte Teil des Buchs wie ein Brandbeschleuniger.
Es ist also nicht ganz leicht, ein Fazit zu ziehen. Man kann festhalten: Ein Leitfaden für Philosophie- und Ägyptologie-Studenten auf der Suche nach dem Sinn ist das Buch nicht. Für sie bietet es kaum Neues. Aber eigentlich muss es das auch gar nicht. „Nächstes Semester wird alles anders“ ist eine meist seichte, aber sehr unterhaltsame Lektüre. Ideal fürs Warten vorm Prüfungsamt. Das liegt vor allem an der Art und Weise, wie Mußgnug schreibt. Eines kann man ihr nämlich nicht absprechen: Sie hat großes Talent. Ihr Stil ist klar, witzig und einfach schön. Sie versteht es, den Leser zum Lachen zu bringen oder ihn melancholisch zu stimmen.
Das Buch ist in erster Linie eine Sammlung von Anekdoten: Viele davon witzig, viele einfach nichtssagend. Mit „Nächstes Semester wird alles anders“ ist Mußgnug noch nicht der große Wurf gelungen. Man merkt aber deutlich, sie kann mehr. Vielleicht sind erste Bücher ja wie erste Semester: Und beim nächsten Mal wird dann alles anders.
Von David Wüstehube