Chaos, Panik, Durcheinander: Das erste Semester des neuen Lehramtsbachelor hat begonnen.
G9 wird in G8 umgewandelt, Hauptschulen werden abgeschafft: Seit Jahren zieht die deutsche Bildungspolitik immer neue fassadenhafte Konzepte aus der Schublade. Oft werden solche Reformen im Schnellverfahren ohne fundierte Planungsgrundlage durchgepeitscht, am besten noch in derselben Legislaturperiode. Jetzt ist das Staatsexamen im Lehramt an der Reihe. Die grün-rote Landesregierung hat die Umstellung des Lehramtes auf das Bachelor-Master-System in Baden-Württemberg zu diesem Semester beschlossen. Die Landesstudierendenvertretung lehnt die Reform seit ihrer Bekanntgabe von Grund auf ab. Sie sprechen in ihrer Stellungnahme von der „Manifestation eines überstürzten Aktionismus“. Im Moment manifestiert dieser sich vor allem in großer Ratlosigkeit, wild kursierenden Gerüchten und dem damit einhergehenden Unmut aller Betroffenen.
Das allererste Semester des neuen Lehramtsbachelor hat vor einem Monat begonnen. Nicht nur die Erstsemester, sondern auch ältere Semester und Lehrende seien „sehr verwirrt“, meint Henrike Arnold vom Arbeitskreis Lehramt des StuRa. Gerüchte, die den Teufel an die Wand malen, tragen nicht zur Entspannung der Lage bei. Im Vorfeld versuchten sowohl die Universität als auch der AK Lehramt, durch Flyer und Infoveranstaltungen Klarheit in das Durcheinander zu bringen.
Die Vorbereitungen für die praktische Umsetzung der Reform in Heidelberg sind im vergangenen Jahr auf Hochtouren gelaufen, aber wie funktioniert nun das neue Lehramt in Heidelberg? Die Studierenden haben die Möglichkeit, einen polyvalenten Bachelor zu durchlaufen und in diesem Studiengang die Lehramtsoption zu wählen. „Am ersten Tag im Semester war schon klar, dass die Mehrheit der Erstsemester die Lehramtsversion studieren möchten“, meint Henrike. Hier gibt es das erste Kommunikationsproblem, da die Entscheidung zum Lehramts- oder Fachbachelor nicht verpflichtend angegeben werden muss.„Wir können keine Neuerungen und Änderungen an die ‚Lehramts‘-Studierenden weiterkommunizieren“, erklärt sie. Allgemein werden im neuen Bachelorsystem die Fachwissenschaften stärker gewichtet als in den ersten sechs Semestern des bisherigen Saatsexamens und dafür die Inhalte der Bildungswissenschaften zum Großteil in den Master verlegt. In den übergreifenden Kompetenzen kann eine „Lehramtsoption“ gewählt werden. Wer sich erst im Master für das Lehramt entscheidet, muss diese Credit-Points nachholen. Die Struktur des Master of Education, der gemeinschaftlich von Uni und PH getragen wird, ist noch viel verschwommener. Schließlich muss der Master erst zum Wintersemester 2018 angeboten werden.
Die Planung des polyvalenten Bachelorstudiengangs befindet sich im Fluss. Wie wird beispielsweise der Leistungsnachweis in den Bildungswissenschaften aussehen? Endklausur, Portfolio oder etwas ganz anderes? Laut Beatrix Busse, Prorektorin für Studium und Lehre, ist inzwischen „die inhaltliche Ausgestaltung der Lehramtsoption durch die Bildungswissenschaften finalisiert und muss nun sehr zügig die Gremien durchlaufen. Die Studierenden werden über die Inhalte in Kürze informiert.“ Die Erstsemester müssen sich bis dahin gedulden und hoffen, dass sie keine für das zweite Semester wichtige Veranstaltung aufgrund von Kommunikationsfallstricken verpasst haben.
Die großen Verlierer sind die BAföG-Bezieher
Auch das schnelle Umsatteln vom polyvalenten Bachelor auf einen Fach- oder Lehramtsmaster wird nicht so einfach zu bewerkstelligen sein. Zumindest nicht in Regelstudienzeit. „Die großen Verlierer sind die BAföG-Bezieher“, zieht Fabian Kunz vom AK Lehramt sein Resümee „Man muss viel mehr aufpassen, um alles in Regelstudienzeit zu schaffen, da die mit Überschneidungen von Veranstaltungen einhergehenden Probleme nun innerhalb von sechs oder vier Semestern bewältigt werden müssen.“ Ein großer Kritikpunkt ist das Verlegen des Praxissemesters in den Master. Erst kurz vor Ende des Studiums wird die Eignung für den Lehrberuf auf die Probe gestellt. In der Lehramtsoption sind allerdings zwei dreiwöchige Orientierungspraktika verortet. Ob das dem Praxisbezug genug Rechnung trägt, bleibt abzuwarten. Etwas Gutes in der momentanen Konfusion sieht Fabian trotz allem: „Es steht noch nichts definitiv fest und das ist gut.“ Es könne dadurch viel flexibler und schneller auf sich abzeichnende Probleme reagiert werden. Zudem können neue Inhalte wie die Integration von Flüchtlingskindern problemlos in das Studium aufgenommen werden, was in Anbetracht der aktuellen Lage wichtig werden wird.
Von Monika Witzenberger