Seit 20 Jahren präsentieren die Heidelberger Theatertage Highlights der freien Szene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Vergangene Woche schrie mich im Kino ein Mann an. In cholerisch-aggressiver Manier à la Gernot Hassknecht wollte er mich von der Leinwand aus dazu auffordern, die Heidelberger Theatertage zu besuchen. Der Spot hatte den Charme der üblichen Lokalwerbung im Kino: Nachdem man sie gesehen hat, möchte man den beworbenen Ort meistens nicht mehr aufsuchen. Glücklicherweise tat ich es dann doch.
Es ist verwunderlich, dass die Heidelberger Theatertage, die vor zwanzig Jahren als „Tage der Freien Gruppen“ gegründet wurden, dieser Werbung überhaupt bedürfen. Jedes Jahr kommen hier Theatergruppen der freien Szene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen, die eine große Bandbreite dessen präsentieren, was Theater abseits der großen Häuser so kann.
Nicht nur Schauspielkunst, sondern auch Musik und Tanz, Ensemble- und Solostücke werden hier gezeigt, die in ihrer Kreativität mancherlei Großproduktion in nichts nachstehen, ja sie teilweise sogar übertreffen. „Hin ist hin – Eine theatrale Collage für Puppen und Menschen frei nach dem Roman ‚Der ewige Spießer‘ von Ödön von Horváth“ der Züricher DAKAR Produktion ist ein Beispiel dafür. Manchmal ein wenig zu schrill und in seinen Gesangsleistungen sicher noch optimierbar, erzählt es die Geschichte dreier Personen im München der späten zwanziger Jahre dennoch auf so liebevolle Weise, dass man durchweg gebannt und sehr oft berührt ist. Die Schauspieler spielen gemeinsam mit lebensgroßen Puppen, was befremdlich klingen mag, aber wunderbar gelingt und an keiner Stelle aufgesetzt wirkt. Es ist, trotz sehr lustiger Szenen, ein wirklich trauriges Stück.
Bei „Der spanischen Fliege“ des gleichnamigen Ensembles geht es dagegen deutlich launiger zu. Da wird sich verliebt, verkracht, verwechselt, und wenn am Ende die Pärchen zueinander und der Sohn zum richtigen Vater gefunden hat, ist man zwei Stunden lang gut unterhalten worden.
Andere Stücke im Programm widmen sich aktuelleren Themen und erzählen zum Teil mit Hilfe von Videoinstallationen von der NSA, Spam-Mails und den Sehnsüchten der westlichen Welt. Nach zehn Tagen Festival wird eines dieser Stücke mit dem Heidelberger Theaterpreis gekürt. Dieser ist mit 1500 Euro dotiert und wird von einer Jury verliehen, zu der seit zwei Jahren auch Studenten gehören, die als Kurs des Germanistischen Seminars unter der Leitung von Karin Tebben eine Stimme bilden. In diesem Jahr werden sie auch einen eigenen Preis, den Heidelberger Studentenkuss, verleihen. Hoffen wir, dass dieses studentische Engagement dazu führt, dass es 2016 keiner Kinowerbung bedarf.
von Anna Vollmer