Im rechtspopulistischen Internet begegnen einem Hysterie und Selbstgerechtigkeit. Ein Versuch des Lachens als Notwehr.
In Dresden bekommen sie jeden Montag einen neuen Skandal geliefert: einen Galgen, einen Satz über Konzentrationslager – einen neuen Kick. In Dresden können sie jeden Montag ihre Hysterie herausschreien, ihre Angst auf Schilder malen und ihrer Wut ein bisschen Luft machen. Wo doch sonst alle gegen sie sind, können sie montags gemeinsam ihre Feinde hassen. Und sie können sich versichern, als einzige die Wahrheit verstanden zu haben. Was aber tun in der Zeit dazwischen? Was tun, wenn man nicht in Dresden lebt und trotzdem wütend ist?
Die „Lügenpresse“ hassen sie nicht erst seit den neuen Flüchtlingszahlen und so erheben Nachrichtenseiten wie pi-news.de und mmnews.de bereits seit mehreren Jahren den Anspruch kund zu tun, was die Volksvertreter – respektive „Verräter“ – verheimlichen. Während letztere sich dabei irgendwo zwischen der Euro-Kritik der AfD und Schlagzeilen über steigende Kriminalität durch Ausländer bewegen, fängt die Seite Politically Incorrect bei Pauschalurteilen über Asylbewerber als Vergewaltiger erst an.
Beliebte Serien der Seite sind „So erlebe ich die Kulturbereicherer“ (Leser berichten, warum ihre rassistischen Vorurteile wahr sind) und „Warum ich Deutschland liebe!“ („integrierte Ausländer“ berichten, warum sie ebenfalls gegen mehr Ausländer sind). Am unteren Rand der Website feiern großbusige Frauen mit Schildern („Maria statt Scharia“) Pompons und knappen Bikinis das Urteil des Spiegels: „PI – ‚die digitalen Cheerleader der Islamophobie‘“. Montags dann kann man fast hautnah dran sein am Epizentrum der Wut: Ab 18.30 Uhr wird ein Pegida-Livestream geschaltet.
Obwohl die Leser sich in ihren Ansichten frappierend einig scheinen, feiern sie solche Seiten als letzte Bastion der Meinungsfreiheit. Wer sich an fremdenfeindlichen Wortspielen erfreuen kann, kommt hier voll auf seine Kosten. Veröffentlichte Artikel werden unter anderem in die Rubriken „Asyl-Irrsinn“, „EUdSSR“ und „Widerstand“ eingeteilt. Längst vorbei scheinen die Zeiten, in denen jemand sich seiner Politikverdrossenheit noch schämte. Die Paranoia, die Pegida-Anhängern zu Anfang vorgeworfen wurde, ist längst zu einem stolzen Aushängeschild geworden.
In den Tiefen des rechtspopulistischen Internets sammelt sich so eine Leserschaft, deren Ängste weitaus mehr betreffen als die aktuelle Flüchtlingspolitik. Sie glauben ebenso an den Zusammenbruch der Wirtschaft und an alles zerstörende Epidemien. Wie selbstverständlich wird gesprochen von einem sich nahenden Bürgerkrieg in Europa. Einer schier irren Logik folgend, diskutieren sie über die Möglichkeit des Auswanderns. Die Angst dieser Menschen ist nicht nur groß, sie ist allumfassend.
Die Nutzerin „NormalerMensch“ schreibt nach einem offenbar erschöpfenden emotionalen Ausbruch in den Kommentarspalten: „jetzt brauch ich ’ne Frustschoki“.
Wenn die nur helfen würde.
Von Hannah Bley