Die New Yorker Jazzsängerin Cecile McLorin Salvant bringt am vorletzen Tag des Enjoy-Jazz Festivals die Heidelberger Stadthalle zum Beben.
„Bevor sie in so kleinem Rahmen nicht mehr zu sehen ist, möchte ich heute Abend Cecile McLorin Salvant herzlich in Heidelberg begrüßen!“, so wurde die New Yorker Jazz Sängerin in der Stadthalle am vorletzen Tag des Enjoy-Jazz Festivals angesagt. Übertrieben ist diese Aussage nicht. Die New York Times spricht von ihr als die nächste große Jazz-Sängerin unserer Zeit. Ihr Album Woman Child wurde sogar für den Grammy 2014 nominiert.
Nach einer virtuosen Einleitung durch ihr Begleittrio Aaron Diehl am Piano, Paul Sikivie am Kontrabass, und Lawrence Leathers an den Drums, betritt sie gemessen mit der für sie zum Markenzeichen gewordenen dicken weißen Brille die Bühne. Schon mit ihrem ersten Song „All of you“ von Cole Porter zieht sie ihr Publikum in den Bann. Weniger durch eine lebendige Gestik, denn vielmehr mit einer in ihrer Vielfalt erstaunlichen Mimik, die sich in ihrem Gesang wiederspiegelt, bekommt jedes einzelne Lied eine besondere, persönliche Note. Dabei singt sie nicht einfach nur Melodien, sondern lebt die Liedtexte, kokettiert mit jeder Silbe und bringt das Publikum durch ihre Interpretation zum Lachen. Es sitzt jede wohlüberlegte Bewegung, jede Aktion auf der Bühne. Vielleicht zu sehr. Nichtsdestotrotz scheint ihr vielfältiges Repertoire keine Grenzen zu kennen. Sie zeigt mehr als einmal die Formbarkeit ihrer gesanglichen Klangfarbe: In Sekundenschnelle wechselt sie vom mädchenhaften, schnörkellösen und wispernden zu voluminösen, überlauten und glockengleichen Gesang; von statuenhafter Reglosigkeit zur lebensfrohen Dynamik.
Bei dem darauffolgenden Song „I wish I could shimmy like my sister kate“ von Clarence Williams bezeugt sie ihr Talent als Entertainerin. Mit „I can‘t dance“ bricht ihre dynamisch, lebhaften Seite hervor, wogegen sie mit „Nobody“ fast schon meditative Zurückhaltung beweist. Ihr Hauptthema ist die Liebe – die Freude, den Schmerz, die Schönheit, die Eitelkeit. Der Spur Kitsch, den man an einem Abend mit Broadway Songs erwarten könnte, trägt sie mit einer eigenen Interpretation des Disney Aschenputtel Liedes „The Stepsister‘s Lament“ Rechnung und plaudert derweil fast schon aus dem Nähkästchen: „Wie die Stiefschwestern habe ich mich auch schon ärgerlich und eifersüchtig gefühlt.“
Ihr großes Vorbild Billie Holiday darf an diesem Abend natürlich nicht fehlen. Mit „What a little moonlight can do“ und „Jeepers, Creepers“ beweist Cecile McLorin Salvant, dass sie zumindest das Werkzeug dazu hat in die Fußstapfen ihres Idols zu treten. Ihr musikalisches Können tritt deutlich bei den Eigenkompositionen „Fog“ und „Look at me“ zu Tage.
Aufgewachsen ist McLorin Salvant in Miami als Tochter eines haitianischen Arztes und einer Mutter mit französisch-guadeloupischen Wurzeln. Für ein Jurastudium zog sie nach Aix-en-Provence, wo sie ihre Liebe zum Jazzgesang entdeckte. Diesen studierte sie bei Jean-Francois Bonnel, mit dem sie auch ihr erstes Album aufnahm. Seitdem reiht sich ein Preis an den anderen – und das im Alter von nur 26 Jahren.
Viele Kritiker sprechen ihr die dazu nötige Reife ab; sprechen von zu großer Kontrolliertheit und zu wenig Spontanität. Das mag im Moment durchaus stimmen, aber sie hat noch die Zeit und vor allem das Talent zu einer der ganz Großen im Jazz zu werden. Dem Heidelberger Publikum hat es zumindest gefallen. Laute „Bravo“ Rufe und ein nicht endender Applaus begleiteten die vier Musiker nach einem Cole-Porter Finale von der Bühne.
Von Monika Witzenberger