Eine neue studentische Theatergruppe bringt Oscar Wildes „Bunbury“ im Kulturfenster auf die Bühne. Ein Probenbericht.
[dropcap]E[/dropcap]ine Email, zwei Telefonate, zwei Tage Wartezeit, ein Termin. Eine Ausnahme. Ein Bonbon gewissermaßen. Eigentlich treffen sich „Die ARTbacken“, Heidelbergs nicht mehr ganz neue, aber noch relativ unbekannte studentische Theatergruppe, immer am Montag. Für den ruprecht haben sie eine zusätzliche Probe organisiert.
Ich bin etwas zu früh dran. Sie sind pünktlich. Keine Allüren. Alles ganz unkompliziert mit diesen Schauspielern. Auf dem Weg zum Seminar für Alte Geschichte, dem Probenort der Theatergruppe, denke ich über den doch etwas skurrilen Namen des Ensembles nach. „Die ARTbacken“, altbacken – nein, das können sie unmöglich so gemeint haben. Tun sie auch nicht. Der Groschen fällt erst später, im Gespräch nach der Probe. Sie haben Freude daran, mein etwas verdutzt nachdenkendes Gesicht zu mustern, während ich ihnen mit allen möglichen Ideen zu ihrem Namen komme.
Die Probe beginnt: Sie rücken sich ihre Tische und Stühle zurecht und fangen an. Was jetzt folgt, kann man durchaus als professionell und auf die Sache konzentriert bezeichnen. Die Texte sitzen bereits sehr gut. Für die Gruppe sicher beruhigend, feiert ihr Stück doch im Januar Premiere. Etwas zaghaft noch zu Beginn, spielen sie sich langsam warm – hinein in ihre Interpretation von „Bunbury“.
Ihre Inszenierung wollen sie möglichst authentisch verstanden wissen; fast komplett ohne Änderungen, extrem nah am Originaltext der deutschen Übersetzung und mit einem Bühnenbild, das die angestrebte historisierende Darstellung widerspiegelt.
Die Kostüme müssen noch organisiert werden. Aber sie haben Ideen, sind erfinderisch und scheuen keine Mühen. Ihr leichtes, aber dennoch konzentriertes Spiel macht ihnen und mir als Zuschauer Spaß.
Die Probe dauert fort. Eine Darstellerin kommt noch hinzu: Gerade noch Sprachkurs, morgen früh eine Pathologieklausur, zwischendrin die Probe. Kein Problem. „Die ARTbacken“ sind gut organisiert, aber nicht verkrampft. „Orga machen wir immer am Ende. Es hat sich gezeigt, dass es dann schneller geht, weil jeder nach Hause will“, erklärt mir Oliver Schlauersbach und lacht.
Schlauersbach ist so etwas wie der Organisator der Gruppe. Entscheidungen treffen sie allerdings immer gemeinsam: „Wer zu den Proben kommt, entscheidet mit.“ Und überhaupt: Es gilt die Maxime „Jeder macht alles“. Im Sommer gaben sie ihr Debüt mit Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“.
Sie sind stolz auf ihre Erstproduktion und erzählen mir davon wie junge Eltern von ihrem Kind. Gegründet haben sie sich vor drei oder vier Semestern aus einer spontanen Geburtstagslaune heraus, wie sie selbstironisch berichten. Den genauen Zeitpunkt weiß niemand mehr so recht.
Zwanglos Theater machen; und zwar gleich, also losspielen, sich ausprobieren, einfach machen – so die initiale Idee.
Inzwischen sind sie zu einer Truppe aus zehn jungen, engagierten Schauspielern zusammengewachsen und finanzieren sich komplett selbst. Das ist nicht ganz ohne, wenn man bedenkt, dass „Die ARTbacken“ bei ihren Aufführungen keinen Eintritt von den Zuschauern verlangen. Sie nennen es ihr „Pay-After-Prinzip“. Wem es gefallen hat, der kann nach der Vorstellung etwas spenden.
Ihr Debüt war komplett aus eigener Tasche vorfinanziert. Mutig, aber der Erfolg gab ihnen Recht. Sie kamen auf ihre Kosten und so waren die Tantiemen für die deutsche Übersetzung und Aufführungsrechte auch kein Problem. Pro Semester eine Produktion ist ihr ehrgeiziges Ziel, das sie in Kooperation mit dem Kulturfenster umsetzen wollen.
Aufführungen finden am 20., 21. und 22. Januar 2016 jeweils um 20 Uhr statt. Wir dürfen uns auf einen sehr talentierten, nasalen Algernon, einen Dialekt sprechenden Lane, eine nicht weniger talentierte und äußerst unterhaltende Lady Brackwell, sowie einen passionierten Jack und eine erfrischend kesse Gwendolen freuen.
Die Probe nimmt indes ihr Ende. Für mich ein Ende mit einer Einladung zur Premiere von „Bunbury“ – denn, halten wir uns an Oscar Wilde: „Nichts verstimmt die Leute mehr, als keine Einladungen zu erhalten.“
Von Jamie Dau