Unter dem Motto #landaulandunter streiken Landauer Studierende gegen die Unterfinanzierung ihrer Uni.
[dropcap]E[/dropcap]inhundertvierundneunzig. So viele Studierende nehmen dieses Semester an dem Seminar „Introduction to Teaching English as a Foreign Language“ in Landau teil – mehr als dreimal so viele, wie nach dem Modulhandbuch des zuständigen Anglistischen Seminars zulässig sind. Schon seit Montag, dem 23. November, dauert nun ein Streik der dortigen Studierenden an. Dieser soll mit einer Kundgebung am 16. Dezember vor dem rheinland-pfälzischen Landtag in Mainz vorläufig abschließen. Kritikpunkte der Streikenden sind neben den überfüllten Seminaren die mangelhafte Ausstattung der Bibliothek, zu viele befristete Stellen bei den Angestellten der Universität und Unterbesetzung in Verwaltung und Lehre.
Der Beschluss des Streiks auf einer Vollversammlung der Studierenden war „absolut spontan“ erklärt Marleen Gruber, Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Koblenz-Landau in einem Interview mit dem Portal studis-online. Es sei lediglich eine Infoveranstaltung geplant gewesen, um die ungelösten Probleme an der Universität zu erörtern. Für den AStA unerwartet sei dann der Aufruf zum Streik unter den 400 anwesenden Studierende laut geworden. Die Verwaltungstürme und das Audimax wurden kurz darauf besetzt. Bis zum Donnerstag, dem 26. November, wurden alle Außenstellen blockiert und der geregelte Universitätsbetrieb unterbrochen. Nach Angaben des AStA beteiligten sich dabei 1500 der insgesamt 7500 Studierenden in Landau.
Lediglich aus Rücksicht auf Studierende und Doktoranden habe man am Donnerstag auf einer weiteren Vollversammlung die Besetzung der meisten Universitätsgebäude ausgesetzt, so Gruber. „Wir haben in der Diskussion festgestellt, dass nach vier Tagen eine weitere Blockade der Verwaltungen – wo sich auch Labore, Hiwi-Büros und Seminarräume befinden – unserem Ziel nicht mehr lange zuträglich gewesen wäre.“ Man wolle nun die Kräfte für die am 16. Dezember geplante Kundgebung in Mainz bündeln. An diesem Tag berät der Landtag von Rheinland-Pfalz über den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr. Gemeinsam mit Studierenden des ganzen Bundeslandes möchte der AStA dort für eine angemessene Ausfinanzierung der Universitäten demonstrieren. Bis dahin soll das Audimax weiter besetzt bleiben.
Inzwischen findet der Protest in der Politik zunehmend Beachtung. Schnell gab es ein Treffen zwischen Vertretern des AStA und des Bildungsministeriums, bei dem „Lösungsansätze gefunden wurden“, so der Universitätspräsident Roman Heiligenthal. Demnach stünden zusätzliche Mittel zur Verfügung, um Gebäude anzumieten, neue befristete Stellen zu schaffen und die Bibliothek aufzuwerten. Bei den ausstehenden Forderungen verwies Heiligenthal auf die Landespolitik, da der Streik eine allgemeine hochschulpolitische Ebene erreicht habe, bei der die Universität nicht Verhandlungspartner sein könne. Einige Politiker, darunter die stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke (Grüne), stellten sich im besetzten Audimax den Fragen der Studierenden.
Zahlreiche Studierendenverbände bundesweit solidarisieren sich mit dem Streik. Ben Seel, Vorstand des freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs), konstatiert in einer Pressemitteilung: „Bei Landau wird es nicht bleiben. Unterfinanzierung, prekäre Beschäftigung, Entdemokratisierung, diese Probleme betreffen alle Studierenden und MitarbeiterInnen gleichermaßen.“
Der Außenreferent des Heidelberger StuRa, Sebastian Rohlederer, war persönlich in Landau, um den dort Streikenden die Solidarität der hiesigen Studierenden zu versichern. Er teilt Seels Meinung, dass die Landauer Probleme in ähnlicher Form alle Universitäten in Deutschland betreffen. „Gerade wir in den Baden-Württembergischen Studierendenschaften erleben gerade, welche schwerwiegenden Folgen der Wegfall der ehemaligen Qualitätssicherungsmittel in der Lehre nach sich ziehen wird“, erklärt Rohlederer in einer Pressemitteilung des StuRa. Überfüllte Bachelor-Seminare mit bis zu 60 Studierenden seien bereits auch schon in Heidelberg vorzufinden.
Der Streik in Landau ist der größte Studierendenprotest seit dem bundesweiten Bildungsstreik 2009, an dem mehr als 200.000 Schüler und Studierende teilnahmen. Ob und welchen Einfluss er auf die Bildungspolitik haben wird, wird sich frühestens bei der Demonstration am 16. Dezember zeigen. Zuversichtlich hofft Seel aber auf eine Initialwirkung: „Der Streik in Landau wird nur der Anfang sein!“
Von Tim Schinschik