Die Feiertage stehen vor der Tür und damit auch der saisonale Stress. Je voller die Einkaufsläden sind, desto mehr scheint der christliche Hintergrund des Festes vergessen zu werden: Sollte Weihnachten nur als christliches Fest begangen werden?
[dropcap]S[/dropcap]pätestens beim diesjährigen Verkauf der winterlichen Starbucks-Becher (die zumindest die USA in Kriegsstimmung versetzt haben), sollte auch der Letzte bemerkt haben: Es ist Weihnachten. Und neben überfüllten Geschäften und grellen Lichterketten beginnt damit auch die alljährliche Diskussion über die „wahre Christlichkeit“ des Fests. Für mich ist das ganz klar: Weihnachten ist schon lange kein „rein christliches“ Fest mehr. Und das ist nicht nur absolut irrelevant – es ist geradezu wundervoll.
Es stimmt, dass sich Weihnachten zu einem globalen Event entwickelt hat, das von jedem, unabhängig seines religiösen Hintergrundes, gefeiert werden kann. Aber wie sollte es auch anders sein? Die Tatsache, dass eine konstante „Weihnachts-Manie“ am 25. Dezember in den gefeierten Höhepunkt des Jahres mündet, ist omnipräsent. Durch Weihnachtsmusik, -deko, -märkte, -werbungen, -essen und nervige Tim-Allen-Filme ist ein Kult erschaffen worden, der jegliche andere religiös motivierte Feste in den Hintergrund drängt. Anstelle von Chanukka-Adventskalendern oder afroamerikanischer Kwanzaa-Dekoration werden wir schon ab September mit weihnachtlichen Produkten bombardiert. Dass auf die diversen Reaktionen einer religiösen Vielfalt auf diese Dominanz ein säkularer Prozess folgt, ist ganz natürlich. Genauso wie alles andere sollte auch Religiosität progressiv und anpassungsfähig agieren.
Gerade die Umwandlung eines ehemals heidnischen Festtages, dem das rot-grüne Spektakel entstammt, lassen Veränderungen in diesem Rahmen noch möglicher erscheinen. Mal ganz davon abgesehen, dass sich rund 50 Millionen Menschen in Deutschland als Christen identifizieren und die Mehrheit sich der derzeitigen Ausübung des Festes zugehörig fühlt. Wenn die Mehrheit der erklärten Gläubigen den Kirchengang also als weniger verlockend empfindet als auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, bedeutet das nicht, dass sie weniger christlich ist. Glaube ist keine erstarrte Norm, die vorgesetzten Aktivitäten nachgehen muss, damit man sich diese aneignen darf. Vielmehr ist es eine spirituelle Haltung, deren Kriterien individuell festgelegt werden. Die eigene, möglicherweise traditionelle, Festlegung als Maßstab für die Allgemeinheit zu verwenden, mag ein netter Zeitvertreib sein – ist aber letztlich absolut ineffektiv.
Glaube muss keinen vorgesetzten Aktivitäten nachgehen, damit man sich ihn aneignen darf.
Auch wenn die Präsenz von Geschenken, Santa Claus und Rentieren um einiges auffälliger zu sein scheinen als die Geburt Jesu, sehe ich das Problem auch dann nicht. In seiner Essenz soll dieser religiöse Meilenstein doch Barmherzigkeit, Liebe, Großzügigkeit und Dankbarkeit symbolisieren. Zugegeben, Jesus wurde von den drei Königen nicht mit einem iPhone 6s oder dem neuen Adele-Album beschenkt – aber letztlich ist auch unser Konsumwahn darin begründet, geliebten Menschen eine Freude zu machen; unser exzessives Glühwein-Trinken und die daraus entstehende Feierlaune ein Zeichen dafür, auch mal die guten Seiten des Lebens zu genießen; und das Dekorieren jedes Zentimeters mit Lichterketten ein Versuch, die Welt um uns herum für eine kurze Zeit etwas schöner zu machen.
Es sind Zeichen, die universell verstanden werden – nicht nur, weil sie auch jeder anderen Religion innewohnen, sondern einfach, weil sie der Menschlichkeit entsprechen.
Vor seinem christlichen Hintergrund ist Weihnachten eine Zeit, in der wir diese Eigenschaften kollektiv wahrnehmen und in einer besinnlichen Atmosphäre ausdrücken. Ist es dabei wirklich wichtig, ob die Verantwortlichen für diese Stimmung Christen, Muslime oder Atheisten sind? Ist es denn wirklich aussagekräftig, wenn wir nicht alle Fakten ihres religiösen Hintergrundes aufzählen können? Und ist es wirklich entscheidend, ob uns der Glaube an Gott oder der Glaube an den Weihnachtsmann in dieser Zeit zu glücklichen Menschen macht?
Von Sonali Beher