Bis zum Jahr 1982 erschienen in Heidelberg noch zwei Tageszeitungen. Dann wurde das Heidelberger Tageblatt eingestellt.
Die letzte Ausgabe des Heidelberger Tageblatt erschien zwei Jahre vor seinem 100. Jubiläum, am 31. Dezember 1982. Das Aus kam überraschend und doch nicht plötzlich: Die mit einer Auflage von zuletzt 17 000 vergleichsweise kleine Zeitung war lange schon defizitär gewesen. Im Oktober 1982 gab der Eigentümer – das Mannheimer Verlagshaus Haas, zu dem auch der Mannheimer Morgen gehört – die Einstellung des Tageblatt zum Jahresende bekannt. Das Verlagsgebäude in der Brunnengasse, vier Außenstellen und 97 Beschäftigte (darunter 26 Redakteure) wurden damit aufgegeben. „Presseerzeugnisse unterliegen leider ebenso betriebswirtschaftlichen Erfordernissen wie Lederkoffer, Rollmöpse oder Vierfruchtmarmelade. Gleichgültig, wieviel geistige Substanz in das Produkt eingebracht werden muß“, stellte Chefredakteur Heinz Kimpinsky in der letzten Ausgabe betrübt fest.
Mit der Einstellung des Tageblatt wurde die den lokalen Zeitungsmarkt ohnehin dominierende Rhein-Neckar-Zeitung (Auflagenstärke 1982: mehr als 100 000) konkurrenzlos. Während letztere zu den ersten Neugründungen im besetzten Nachkriegsdeutschland gehörte, war das Heidelberger Tageblatt unter diesem Namen bereits seit 1884 erschienen (und damals nur eine von vier täglich in Heidelberg gedruckten Zeitungen gewesen). Von den Nazis verboten und erst im Mai 1949 wiedergegründet, bildete es zunächst ein konservatives Gegengewicht zur RNZ, ehe diese selbst nach rechts rückte und das Tageblatt als liberales Korrektiv erscheinen ließ. Das Bekanntwerden seines Endes löste entsprechend eine Welle der Sympathiebekundungen aus: Die Leserschaft war schockiert, die Politik bestürzt, der Journalistenverband wütend. Von der „Verödung der Presselandschaft“ war die Rede, Kollegen sahen „verlegerische Willkür und Profitgier“ am Werk. Sogar Oberbürgermeister Reinhold Zundel, dem die RNZ die wichtigste Stütze war, sah einen „schweren Verlust für die Meinungsvielfalt in der Stadt“. Ein Leser schrieb: „Ich bin seit Jahren Tageblatt-Leser. Ich weiß nicht, welche Zeitung ich jetzt lesen soll. Die RNZ ist für mich keine Alternative.“
Natürlich mischt sich in diese Bekundungen nachträgliche Verklärung. Das Heidelberger Tageblatt war nicht die Anti-RNZ. Aber seine Existenz sicherte der Stadt eine Pluralität der Medienstimmen. Dass Pressefreiheit zuerst die Freiheit einiger weniger mächtiger Verleger ist, gilt dagegen damals wie heute. Die Haas-Gruppe hatte sich entschieden, lieber in das neue Medium des Kabelfernsehens zu investieren als die Existenz einer unrentablen Tageszeitung zu sichern. Eine hübsche Ironie, dass sie nun mit ihrem Engagment in den neuen Medien versucht, den damals aufgegebenen Heidelberger Markt zurückzuerobern.
Von Kai Gräf