Vorsicht: große Spoiler!
Langjährige Star Wars-Fan waren vielleicht noch nie so gespannt auf einen neuen Film wie auf „Das Erwachen der Macht“. Actionreicher als die Vorgänger sollte er werden, näher an der legendären Originaltrilogie aus den Siebzigern und Achtzigern als die letzten drei Filme. Die alte Besetzung mit Harrison Ford, Carrie Fisher und Mark Hamill wieder an Bord, da konnte ja kaum etwas schief gehen, oder?
Gleich vorweg: Die Antwort ist ein klares „Jein“. Es ist ein guter Blockbuster und auch keine schlechte Star Wars-Fortsetzung geworden, die Anlehnung an die Originaltrilogie ist tatsächlich unübersehbar, aber die durch den medialen Hype von Disney bis ins Unendliche geschraubten Erwartungen dürften so manchen eingefleischten Fan an manchen Stellen doch unbefriedigt zurücklassen.
Denn die Story um den ewigen Kampf zwischen Heller und Dunkler Seite der Macht ist schon wieder so nahe an der allerersten Episode IV, dass sie spätestens ab der Hälfte des Films völlig vorhersehbar wird: Eine Rebellion im Kampf gegen ein böses Imperium, junge Helden mit ungeahnten Kräften, eine gigantische planetenzerstörende Superwaffe, eine junge Frau in Nöten, die von ebenjener Superwaffe gerettet werden muss, nur damit diese anschließend von waghalsigen Raumjägerpiloten zerstört werden kann, und natürlich – wie könnte es anders sein – komplizierte und tragische Familienbande.
Auch scheinbar neue Handlungselemente wie der desertierende Sturmtruppler Finn (gespielt von John Boyega), der sich trotz mentaler Konditionierung im Dienst des brutalen Imperiums seiner eigenen Menschlichkeit bewusst wird, oder selbst Adam Driver als Kylo Ren, der Enkel von Darth Vader, der trotz der Ausbildung durch Luke Skywalker irgendwann der Dunklen Seite der Macht anheimfällt, seinem Großvater nacheifert und nicht zuletzt eine Ehekrise zwischen seinen Eltern Han Solo und Leia Organa (Harrison Ford und Carrie Fisher) verursacht – all diese Elemente sind bei genauerem Hinsehen bereits hinlänglich aus den zahllosen Roman-, Comic- und Spielefortsetzungen der ursprünglichen sechs Filme bekannt. Zumindest für die Fans, die sich tatsächlich so tief in der Materie befinden. Da bleibt als einzige wirklich große Überraschung nur Kylo Rens heimtückischer Vatermord an Han Solo, doch diese Überraschung hat gesessen und bildet den mit Abstand emotional packendsten Moment des Films.
Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass der neue Antagonist nicht halb so böse und bedrohlich wirkt wie sein Vorbild Darth Vader. Er ist eben nur ein Möchtegern-Sith, der schnell zugibt, dass er das Gute in sich immer noch spürt, der zwar seine Offiziere mit unkontrollierten Wutanfällen auf Trab hält, aber vor dem großen imperialen Anführer Snoke eben doch in Konkurrenz anderen Offizieren treten muss und nicht der unangefochtene Herr im Haus ist, und der sich am Ende sogar der neuen Heldin Rey (sehr gut gespielt von Daisy Ridley) mental wie kämpferisch geschlagen geben muss. Adam Driver zeigt in seiner Rolle eine große innere Zerrissenheit und Spannung, die hier noch viel deutlicher auf eine mögliche Bekehrung des verlorenen Verwandten in den kommenden Filmen hinzudeuten scheint als bei Darth Vader.
Dass die Macher des Films von einigem Vorwissen der Zuschauer ausgehen, ist ebenso schnell klar. Die Macht als universales Konzept von Gut und Böse muss nicht erst lang eingeführt werden, die Enthüllung der tragischen Verwandtschaftsverhältnisse braucht nicht drei, sondern einen halben Film Zeit, und auch Rey muss nicht erst von einem alten Jedi-Meister ausgebildet werden, sondern entdeckt ihre Kräfte quasi im Zeitraffer per „learning by doing“, um es dann am Ende im Alleingang mit Kylo Ren aufzunehmen. Denn dass dies alles zu Star Wars dazugehört, weiß das Publikum schließlich schon. Schwer nachvollziehbar wird diese Exposition mit Lichtgeschwindigkeit allerdings an dem Punkt, an dem sich Han und Leia nach jahrelanger Trennung mal eben innerhalb eines vor Zitaten und Kitsch nur so strotzenden Mini-Dialogs wieder vollständig versöhnen. Das wirkt wenig glaubhaft, auch wenn sich die dramaturgische Notwendigkeit durch Hans baldiges Ableben erklärt.
A propos Zitate: Anlehnungen an die ersten drei Teile waren in diesem Film unvermeidbar, und so macht man aus der Not eine Tugend und lässt die alte Darstellerriege, allen voran Harrison Ford, in feiner Selbstironie immer wieder auf die eigene Vergangenheit anspielen. Fan-Herzen schlagen höher, wenn Han Solo auf Leias berühmte „Schnecken-Frisur“ anspielt oder vorschlägt, einen gefangenen imperialen Offizier in Anlehnung an Episode IV doch einfach in die nächstbeste Müllpresse zu verfrachten.
Auch ästhetisch ist der Film eine einzige große Hommage an die Originaltrilogie. Die ikonischen Raumschiffe, die Waffen, teilweise auch die Schauplätze wirken vertraut. Und doch sind die Kulissen größer, die Szenen und Dialoge pathetischer, die Optik neuer und glänzender, die Action rauer, brutaler und dramatischer. Während die Sturmtruppen und die meisten Raumschiffe modern, fast schon steril wirken, hat der aus den alten Filmen bekannte Raumfrachter „Millenium Falke“ immer noch den Star Wars-typischen „used look“ und wird im Lauf der zahlreichen waghalsigen Flugszenen mehr ramponiert als in allen bisherigen Filmen zusammen.
Regisseur J. J. Abrams nutzt gerade für die bildgewaltig inszenierten Flug- und Actionszenen das Potenzial heutiger Spezialeffekte und Computeranimation voll aus und kann so Star Wars VII an die Sehgewohnheiten der letzten Jahre anpassen. In der Saga bisher nie gesehene Kameraschwenks, Explosionen und schnelle Schnitte erinnern nicht zuletzt an die Masse der teenietauglichen Superhelden-Actionfilme der jüngeren Vergangenheit.
Sinnbildlich für diese Aktualisierung steht vielleicht auch die neue Heldenfigur des Finn mit seiner oft aufgeregt-hektischen Art und der häufigen Situationskomik zwischen ihm und den anderen Charakteren. Markige Sprüche und witzige Momente waren Star Wars ebenso wie pathetische Dialoge noch nie fremd, doch so viel Plakativität wie in „Das Erwachen der Macht“ hatte die Saga eigentlich nie nötig.
Während man also über den neuen und gleichzeitig alten Stil des Films geteilter Meinung sein kann und dem Film mehr Zeit für die Entwicklung der einzelnen, meist überzeugend gespielten Charaktere gut getan hätte, hat dieser brachiale und komprimierte Einstieg in die neue Trilogie mit ihrer neuen, durchweg sympathischen Heldengeneration doch etwas Gutes: Da schon so viel vorweggenommen wurde, so viele Fronten bereits klar sind, müssen sich die folgenden Filme fast zwangsläufig immer weiter von einem Remake der Originaltrilogie entfernen und eine eigene Geschichte erzählen. Es bleibt also spannend in einer weit, weit entfernten Galaxis.
Von Simon Koenigsdorff