Die StuRa-Räume am Fuß des Philosophenwegs sind in sehr schlechtem Zustand. Seit zehn Jahren ist kein schnelles Ende der „Übergangslösung“ in Sicht.
[dropcap]Z[/dropcap]ischend und qualmend fängt das Lautsprecherkabel unter der Decke des Studierendenrat-Sitzungssaals Feuer. Ein leiser Aufschrei geht durch den voll besetzten Hörsaal im Institut für Theoretische Physik, als sich weißer Qualm und Gummigestank ausbreiten. Gerade wurde der Vorsitz für die neue Legislatur gewählt, nun unterbricht die Sitzungsleitung jäh die Tagesordnung und scheucht die Anwesenden aus dem Saal in die kühle Novembernacht. Nach wenigen Minuten gibt sie zwar Entwarnung und die Sitzung der studentischen Interessenvertretung geht weiter, doch eine Erklärung für den Brand an der eigentlich unbenutzten Anlage fanden bislang weder die Verfasste Studierendenschaft (VS) noch das zuständige Institut. Eins steht jedoch fest: Der Vorfall zeigt einmal mehr, in welch erbärmlichen Zustand die Gebäude in der Albert-Ueberle-Straße in Neuenheim sind.
Ortstermin mit André Müller, Ökologiereferent, und Lukas Hille, Öffentlichkeitsreferent. Die beiden VS-Aktiven betreten den Sitzungssaal in einem kleinen Nebengebäude durch den hinteren Eingang – die Vordertür ist beschädigt und soll nicht geöffnet werden. An der Stelle, an der vor wenigen Wochen das Kabel schmorte, findet sich nichts Auffälliges mehr, doch die beiden Referenten zeigen auf die Lüftungsklappen in den Wänden. „Diese paar Schlitze reichen eigentlich gar nicht, um den Raum bei einer langen StuRa-Sitzung ausreichend zu lüften“, meint André. Das macht das Ausharren und Diskutieren bis spät in die Nacht nicht gerade zu einem Vergnügen. Durch einige Lüftungsklappen ringeln sich auch Pflanzen ins Innere des Saals. „Im Sommer wachsen sie die Wände herunter bis fast zum Boden“, erzählt er.
An vielen Stellen klaffen wegen fehlenden Verkleidungselementen Löcher in der Decke. Doch nicht nur das: „Hier ist sogar schon mal eine Maus mitten in der Sitzung einer Vertreterin der Fachschaft Jura aus der Decke vor die Füße gefallen“, berichtet André. Die Anwesenden seien bestürzt gewesen – doch als man gegenüber der Universität seinen Unmut kundtat, habe eine Person vom Uni-Bauamt angeblich nur geantwortet, man sei bei der VS doch tierlieb und manche dort wohnten doch sowieso mit Mäusen zusammen.
In Andrés Stimme ist Resignation zu bemerken, als er durch die Büroräume im Nachbargebäude geht und auch dort auf die verschiedenen Mängel deutet. „In vielen Wänden haben wir immer wieder Feuchtigkeit, auch die Decke ist an manchen Stellen undicht“, erklärt er. „Aber mehr als Überstreichen geht im Moment nicht.“ Denn das Gebäude, die ehemalige „Villa Bergius“, steht als eines der wenigen Heidelberger Bauhaus-Gebäude unter Denkmalschutz.
Bis vor zehn Jahren wurde die Villa von der Uni für das Physik-Institut genutzt. In den unteren Räumen und im Keller befand sich damals ein Labor. Dann wurden im oberen Teil die Institute für Ethnologie und für Islamwissenschaften untergebracht und im unteren die damalige Fachschaftenkonferenz (FSK), die Vorläuferorganisation der VS.
Hier treffen sich neben der VS aber auch zahlreiche andere studentische Gruppen, nicht zuletzt nutzt der ruprecht sie als Redaktionsräume. Nur eine Zwischenlösung, wie damals allen Beteiligten versichert wurde. Bis heute jedoch steht ein Umzug in weiter Ferne und die Überreste des alten Labors lassen sich noch gut erkennen: An Decken und Wänden verlaufen zahllose Rohre und Kabelstränge, verschwinden in dunklen Schächten oder in antiquiert wirkenden Sicherungskästen. Über ihren Sinn kann André nur rätseln: „Von diesen Leitungen weiß niemand, wo und wie sie genau verlaufen, Pläne gibt es nicht.“
An vielen Stellen hängen Hinweisschilder zu Silberfischchen-Fallen. Diese kleinen Insekten findet man oft in sehr feuchten Räumen. „Unser Gebäude grenzt mit zwei Wänden genau ans Erdreich. Da kommt natürlich Feuchtigkeit durch“, meint André Müller. Doch die Silberfischchen sind nicht die einzigen Tiere, die in den Räumen zu finden sind. Immer wieder wurden tote Mäuse gefunden und lebendige gesehen. Seit März ist das Problem vorläufig unter Kontrolle – doch die zahlreichen Schächte in den Wänden sowie nur notdürftig verschlossene Abflussrohre bieten immer noch Zugänge.
Die Feuchtigkeit führt neben den Silberfischchen auch zu Schimmelbildung. Um das zu verhindern, stehen Luftentfeuchter und kleine Schüsseln mit Salz in den Räumen. Denn Schimmel kann gesundheitsgefährdend werden und stellt für Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma eine Gefahr dar.
Ebenfalls ein Problem: Nur ein einziges Fenster in den Räumen besitzt moderne Dreifach-Verglasung. Alle anderen Fenster sind nur einfach verglast und undicht. Und in einem der Archivräume fehlt die Fensterscheibe gar komplett, in der Wand gähnt nur ein Loch mit einem Gitter davor. „Das ist ein klimatechnischer Alptraum“, beschreibt André die Situation. Im Winter werde die Umgebung mitgeheizt und Feuchtigkeit könne durch die Fenster eindringen. Auch was den Brandschutz angeht, sind die Räume nur notdürftig ausgestattet. „Die Feuerwehr ist schon seit Jahren besorgt“, erklärt André. Einmal wäre das Gebäude sogar fast gesperrt worden. Es gab keine Feuerlöscher, Rauchmelder und die Fluchtwege waren zum Teil nicht nutzbar. Mittlerweile sind die Räume mit Feuerlöschern ausgestattet. Die Fluchtwege wurden verbessert, führen zum Teil allerdings über Leitern zum Fenster hinaus. An allen Türen hat die VS Schilder mit Brandschutzhinweisen angebracht, um die Situation zu verbessern. Rauchmelder, die seit anderthalb Jahren in Aufenthaltsräumen in Baden-Württemberg Pflicht sind, sucht man aber noch vergebens.
Unter anderem wegen der fehlenden Rauchmelder ist es nicht möglich, in den Räumen des StuRa zu übernachten. „Eine unserer Aufgaben als Verfasste Studierendenschaft ist aber die Vernetzung mit Gruppen von anderen Universitäten. Das steht sogar im Landeshochschulgesetz“, betont Lukas Hille. Dafür wäre es nötig, die Studierenden aus anderen Städten in den Räumen unterzubringen. Doch zur Zeit müssen sie auf das Institut für Islamwissenschaften direkt neben den StuRa-Räumen ausweichen. Um Übernachtungen zu ermöglichen, brauche es auch eine Duschgelegenheit. Das Gebäude beherbergt zwar eine Dusche, sie erinnert allerdings mehr an das Set eines Horrorfilms als an eine hygienische Waschgelegenheit. Auf Anfrage der VS erklärte das Uni-Bauamt, dass grundsätzlich in Unigebäuden keine Duschen eingebaut würden. Eine Ausnahme bilden die Dekontaminationsduschen in den naturwissenschaftlichen Laboren.
Eine Sanierung könnte das Feuchtigkeits- und das Ungezieferproblem sowie die Umweltbilanz der Räume verbessern. „Seit etwa zehn Jahren ist klar, dass eine Sanierung notwendig ist“, sagt André.
Andere Räume könne die Universität nicht zur Verfügung stellen. Dies erscheint unverständlich angesichts der Tatsache, dass für andere Zwecke immer wieder Platz gefunden wird. So bekam die Heidelberg School of Education kürzlich zentral gelegene Räume auf dem Gelände des Campus Bergheim. Auch für einzelne Veranstaltungen der VS wie die Eröffnung der neuen Rechtsberatung stellt die Universität oft keine Räume zur Verfügung.
„Von anderen Gruppen hören wir auch, dass die Mailanfragen so häufig an andere zuständige Personen weitergeleitet werden, bis sie aus Zeitdruck andere Räume suchen müssen“, erklärt Lukas. „Die Raumvergabe ist generell sehr intransparent.“ Im Falle der einmaligen Eröffnung der Rechtsberatung verlangte die Universität plötzlich eine schriftliche Bestätigung des Studierendenwerks, dass die VS-Rechtsberatung keine Konkurrenz zu den eigenen Beratungsangeboten darstelle. In der Vergangenheit wurde einigen Gruppen außerdem mit Verweis auf einen Katalog von Kriterien abgesprochen, eine Hochschulgruppe zu sein und damit Anspruch auf Räume zu haben. Auf Nachfrage war dieser Katalog jedoch nicht einsehbar.
„Die Idealvorstellung wäre natürlich ein Studentenhaus in der Stadt mit Büroräumen, Tagungsmöglichkeiten und einem Hörsaal für die StuRa-Sitzungen und vielleicht einem Café im Erdgeschoss, ähnlich wie in Frankfurt am Main“, meint André. Seit 1953 gibt es dort ein Haus, das von den Studierenden genutzt werden kann. Neben einem Cafe und einem Kino können die dortigen Hochschulgruppen mehrere Räume nutzen. Doch so eine Idealvorstellung müsste – wenn es nach der VS ginge – nicht einmal umgesetzt werden. Auch mit der Lage in der Albert-Ueberle-Straße wäre man zufrieden. Der Zustand der Räume sei allerdings nicht hinnehmbar. Solange es kein gutes Brandschutzkonzept, Ungeziefer und nicht geklärte Kabelbrände gebe, könne von gutem Zustand keine Rede sein.
Ähnlich äußerte sich dem Vernehmen nach auch der Landesrechnungshof, der kürzlich die Heidelberger VS besuchte, um die Finanzen und die allgemeine Lage zu prüfen. Angeblich habe man der VS sogar nahegelegt, externe Räume anzumieten und die Universität auf die Kosten zu verklagen, was aber gegenwärtig niemand beabsichtige.
Das zuständige Dezernat Planung, Bau und Sicherheit der Universitätsverwaltung betont hingegen gegenüber dem ruprecht, man habe im letzten Jahr über 30.000 Euro für Baumaßnahmen in den Räumen ausgegeben, um die gravierendsten Probleme und Gefahrenquellen zu beseitigen. Eine Gesamtsanierung sei 2019 geplant, bis dahin biete man der Studierendenvertretung einen „Entwicklungsdialog“ sowie einen zusätzlichen Raum im Theoretikum ab dem Sommersemester an. Dezernatsleiter Alexander Matt fordert dafür eine „verlässliche und verbindliche Zusammenarbeit zwischen der VS, dem Dezernat und der Hochschulleitung.“
Auf die Frage, was am dringendsten geändert werden müsse, sagt André: „Wir brauchen eine Brandschutzanlage, aber die bekommen wir wohl im nächsten halben Jahr.“ Lukas fügt hinzu: „Alle gesundheitsgefährdenden Dinge müssen beseitigt werden!“ Es ist zu hoffen, dass das passiert, bevor das nächste Kabel brennt oder eine weitere Maus von der Decke fällt.
Von Ester Lenhardt und Simon Koenigsdorff