Der Künstler Herbert A. Jung führt ästhetische Experimente durch, aus denen harmonische Kunstwerke entstehen.
An einem Samstag klingele ich an der schwarzen Eisentür der Oberen Neckarstraße 12 in der Heidelberger Altstadt. Draußen ist es stockfinster, aber kurz darauf stehe ich in einem hellen, strahlenden Raum voller Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen – Kunst wohin das Auge reicht. Ich befinde mich im Ausstellungsraum des Künstlers Herbert A. Jung. Nach ein paar Minuten Besichtigung meinerseits und Kaffeevorbereitung seitens Jung kommen wir ins Gespräch.
Er erinnert sich zurück an seine ersten Begegnungen mit der bildenden Kunst: auf die Documenta II (1959) folgten zahlreiche Museums- und Ausstellungsbesuche, „sozusagen meine Kunstakademie“. In den frühen siebziger Jahren entstand seine erste Arbeit – ein gewaltiger Kieselstein, blaugrau auf einem schlichten schwarzen Sockel ruhend. Das Gefundene wurde zur Kunst – „Die Auswahl allein ist schon ein entscheidender Teil des künstlerischen Prozesses,“ meint Jung.
Die Exploration setzte sich fort, mit Steinen, Moniereisen, Nägeln: die Kombination simpler Elemente führte zu neuen Kreationen. Später kam Farbe dazu, breitete sich auf alle möglichen Medien aus, führte Jung zu Papier, Leinwand und Glas. Schwämme, Spritzen und speziell angefertigte Rakeln sind seine Werkzeuge. Nach dieser explosionsartigen Schaffensperiode fing Jung 2005 an, ein Atelierbuch zu führen, in dem er seine Werke dokumentierte. Diese Praxis bewahrt er bis heute – „Die Kunsthistoriker werden später gutes Material über mich haben“, sagt Jung dazu schmunzelnd.
Neben Künstlern wie Barnett Newman, Motherwell, Mondrian und Gerhard Richter sei auch die Rolle seines ehemaligen Hauptberufes für Jungs Kunst nicht zu vernachlässigen: „Ein Grund, dass ich als Autodidakt erfolgreich sein konnte, ist, dass ich als Chemiker gelernt habe, zu experimentieren, und basierend auf den Ergebnissen, egal ob diese nun erwünscht oder unerwünscht waren, meine Arbeit auszurichten.“
Die bildnerischen Experimente Herbert A. Jungs durchliefen eine klare chronologische Entwicklung und ergeben so seinen einzigartigen künstlerischen Werdegang. Auf die Frage, wonach seine Kunst strebe, sagt Jung ganz klar: „Alle Dinge die ich mache, müssen ästhetisch, harmonisch sein.“ Es fällt der Ausdruck „kontrollierter Zufall“. Jung entscheide zwar frei die ersten Entstehungsstufen seiner mehrschichtigen Werke, jedoch verselbstständige sich der Schaffensprozess nicht unerheblich – zu umso spannenderen Resultaten.
Eines seiner aktuellsten Kunstexperimente sind die „Abstrakten Portraits“. In seinem kleinen Lieblingscafé begann Jung, Menschen zu fotografieren. Die Portraits verbindet er dann digital mit seinen Gemälden. Seine zahlreichen abstrakten Portraits von verschiedenen Persönlichkeiten Heidelbergs waren im Deutsch-Amerikanischen Institut und im Rathaus ausgestellt. Auch entstand eine Serie von „Abstrakten Landschaftportraits“ der schönsten Orte Heidelbergs.
Die Stadt, in die Jung vor zwölf Jahren von Brüssel kommend zog, begeistert ihn nach wie vor: „Heidelberg hat eine sehr hohe kulturelle Dichte. Und man ist vor allem sehr nah an den Menschen, nicht zuletzt jungen Menschen.“
Von Marie Jin Oehmann