Experten bewerten die Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz als historischen Durchbruch. Warum das keine Selbstverständlichkeit war, analysieren Heidelberger Wissenschaftler.
[dropcap]D[/dropcap]ürre, Sturm, Überschwemmung: Für viele Menschen ist der Klimawandel nicht nur ein abstrakter Begriff, sondern Realität, die sich in extremen Wetterereignissen äußert. Höchste Zeit, Entscheidungen zu treffen: Stichwort Klimagipfel. In den vergangenen zwei Wochen stellte sich die internationale Staatengemeinschaft nun zum 21. Mal einer der größten Herausforderungen unserer Zeit, dem Klimawandel. Das Ziel ist es, ein starkes Abkommen abzuschließen. Durch einen verbindlichen Klimavertrag soll sichergestellt werden, dass die Erderwärmung „deutlich unter zwei Grad Celsius“ bleibt.
Doch Klimawandel wird nicht nur in Paris, Brüssel und Berlin diskutiert, sondern auch hier in Heidelberg. Mit dem HCE, dem „Heidelberg Center for the Environment“, verfügt die Universität über ein interdisziplinäres Forum, das das Phänomen Klimawandel aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Die fächerübergreifende Forschung macht Sinn, spielen doch gerade im Bereich der Klimapolitik naturwissenschaftliche Erkenntnisse eine enorme Rolle. In den vergangenen Jahren haben sie den Handlungsdruck beständig gesteigert. Einen Teil ihres Wissensschatzes teilten HCE-Mitglieder Sebastian Harnisch, Professor für Politische Wissenschaft, und Werner Aeschbach, Professor für Umweltphysik, am vergangenen Montag auf einem offenen Vortrag.
Mit Blick auf das Scheitern der letzten Klimakonferenz in Lima erklärte Harnisch zunächst, warum es sich so schwierig gestaltet, klimapolitische Entscheidungen auf globaler Ebene zu treffen. Erstens handelt es sich um ein globales Problem. Um wirklich etwas zu erreichen, müssten alle an einem Strang ziehen. De facto verfolgt jedoch jeder Staat seine eigenen Interessen.
Zweitens liegt das Problem nicht nur in der Gegenwart, sondern insbesondere in der Zukunft. Es geht um intergenerative Gerechtigkeit, also um die Verpflichtung, zukünftige Generationen vor den Gefahren einer ungebremsten Erderwärmung zu schützen. Aktuelle Probleme erscheinen jedoch oft dringlicher.
Drittens haben die Zugeständnisse, welche Staaten auf internationaler Ebene machen, weitreichende Konsequenzen für ihre Wirtschaft und Zivilgesellschaft und greifen so stark in die staatliche Souveränität ein.
Angezweifelt wird heute kaum noch, so Aeschbach, dass der Mensch maßgeblichen Einfluss auf die Erderwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts habe. Fest stehe zudem: „Es wird wärmer, wir wissen nur noch nicht, wie viel.“ Streitpunkt in Paris sei vielmehr die Frage der Gerechtigkeit: Wer kommt für den Klimaschutz auf? Der Blick auf die Gegenwart reiche hier nicht aus.
Insbesondere China, das heute mehr Treibhausgase ausstößt als die USA, verweist auf die immensen Emissionen der Industriestaaten, die den heutigen Wohlstand erst möglich machten. Sie plädieren für eine „korrektive Gerechtigkeit“, erklärte Harnisch, fühlen sich also berechtigt, mildere Emissionsnormen einzuhalten, da sie in der Summe bis jetzt weniger zum Klimawandel beigetragen hätten als die Industrieländer. Jene setzen sich demgegenüber für eine gleiche und flächendeckende Reduzierung der Emissionen ein.
Die unterschiedlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit erschweren die Verhandlungen. Dennoch sei eine Einigung wahrscheinlich. „Ein Abkommen wird kommen“, prognostiziert Harnisch. „Wie stark es tatsächlich ist, bleibt abzuwarten.“
Übrigens war die Universität Heidelberg in der heißen Phase der Verhandlungen durch eine Gruppe von 15 Studenten aus Geographie, Physik und Politikwissenschaft vertreten, die das Geschehen aus nächster Nähe verfolgen konnten.
Von Christine Reiner und Rebecca Abu Sharkh