Beruf, Familie und trotzdem studieren? Das Teilzeitstudium macht dies möglich – auch in Heidelberg.
Es heißt, das Leben passiere, während man fleißig andere Pläne schmiede. Damit zumindest studienorientierte Pläne hiervon unberührt bleiben, gibt es seit dem Wintersemester 2011/12 in Heidelberg die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums.
Dabei handelt es sich gewissermaßen um einen verwaltungstechnischen Kunstgriff. Es werden keine eigenen Vorlesungen für Teilzeitstudierende geboten, sondern lediglich die Regelstudienzeit verlängert. Dies geschieht, indem ein Semester in Teilzeit zwar als ganzes Hochschulsemester, aber lediglich halbes Fachsemester zählen soll. Allein Bearbeitungszeiten, wie beispielsweise die der Bachelorarbeit, bleiben unberührt. So will die Universität unter anderem dem demographischen Wandel gerecht werden, der die Zahl der klassischen Studienanfänger in Zukunft deutlich senken wird.
Natürlich muss für derlei Ausnahmen zunächst das Schicksal ordentlich mitgespielt haben. Gründe für die Zulassung sind daher das Studieren mit Kindern, einer chronischen Krankheit, Behinderung, einem Beruf oder sonstige private Ausnahmesituationen. Liegt einer der genannten Gründe vor, so muss der angehende Teilzeitstudierende lediglich in der Fachstudienberatung einen individuellen Studienverlaufsplan erstellen lassen und diesen gemeinsam mit einem Teilzeitantrag vorlegen.
Obwohl es sich bei dem Heidelberger Pilotprojekt um ein vergleichsweise wenig bürokratisches Konzept handelt, sind einige Schwachstellen ersichtlich. Zum einen fällt auf, dass die bisher möglichen Teilzeitstudiengänge sich weitestgehend auf Geisteswissenschaften sowie Fächer ohne Staatsexamen beschränken. Begründet wird dies seitens der Universität mit der benötigten Flexibilität der Studiengänge, eine Erweiterung des Angebots sei ohnehin geplant.
Damit sind aber vielgefragte Studiengänge wie Jura oder Medizin von der Regelung ausgeschlossen und zumindest für Jura auch nicht geplant. „Da die Fristen zum Bestehen der Orientierungs- und Zwischenprüfung im Vergleich zu anderen juristischen Fakultäten großzügig bemessen sind und nach bestandener Zwischenprüfung (abgesehen von den Vorteilen des Freiversuchs und des verbesserungsfähigen Versuchs) keine weiteren Fristen gelten, kann das Jurastudium in Heidelberg faktisch bereits mit‚ halber‘ Geschwindigkeit betrieben werden“, so Daniel Kaiser, der Leiter des juristischen Prüfungsamtes.
Um die Möglichkeit der Wiederholung des Staatsexamens, dem verbesserungsfähigen Versuch zu erreichen, müssten Regelungen durch das Landesprüfungsamt getroffen werden. Nach Ansicht von Kaiser wäre Jura ohnehin kaum für ein Teilzeitstudium geeignet, da es mit hohem Lernaufwand verbunden ist und eine zeitintensive ununterbrochene Auseinandersetzung mit dem Lernstoff voraussetzt. Es ist daher wohl nicht zu erwarten, dass Studiengänge mit Staatsexamen bald in Teilzeit angeboten werden.
Allgemein sind Teilzeitstudierende selbstverständlich genauso sehr von überhöhten Lernansprüchen und Bibliotheksüberlastungen betroffen wie Vollzeitstudierende, können es aber schlechter ausgleichen. Insbesondere zeitlich wenig flexible Teilzeitstudierende werden so auf Probleme stoßen, sollte ihr Beruf ihnen beispielsweise nur zwei Studientage freigeben, da Stundenpläne nach wie vor für Vollzeitstudenten angelegt werden. Zwei Teilzeitstudierende raten daher auf der Website der Universität zu hoher Belastbarkeit, sowohl in zeitlicher als auch finanzieller Hinsicht. Von finanzieller Seite ist zudem zu berücksichtigen, dass ein Teilzeitstudium nicht förderungsfähig im Sinne des BAfÖG ist und dieselben Verwaltungsgebühren erhoben werden, wie für andere Studierende auch.
Unbestreitbarer Vorteil des Teilzeitstudiums ist natürlich die prinzipielle Ermöglichung eines Studiums, wo kein klassisches möglich wäre. Momentan machen nach Angaben der Pressestelle rund 110 Teilzeitstudierende von dem Angebot Gebrauch. Die Universität bemüht sich zudem auch um vielseitige Unterstützung in Form von Kursangeboten des Career-Service, regelmäßige Treffen mit den Fachberatern und Vernetzung der Teilzeitstudierenden untereinander.
In den angebotenen Studiengängen, eine ausreichende finanzielle Absicherung vorausgesetzt, leistet das Teilzeitstudium einen nicht zu unterschätzenden Schritt in Richtung eines lebenslang möglichen Studiums. In diesem Sinne ist es wohl gut zu wissen, dass zumindest manche Lebensbereiche von den Launen des Schicksals unberührt bleiben können.
Von Sophie Bucka