Im Stadtteil Handschuhsheim wird die erste von 14 neuen Flüchtlingsunterkünften in Heidelberg errichtet. Am Samstag trafen sich Anwohner und Gemeinderäte zu einer Diskussionsrunde.
In den letzten Wochen brodelte die Gerüchteküche in Handschuhsheim. Um den zuletzt wilden Spekulationen ein Ende zu setzen, luden die Gemeinderats-Fraktionen von Grüne, SPD und CDU am Samstag zu einer Informationsveranstaltung ein. Unter dem Motto „Auf gute Nachbarschaft“ konnten die Handschuhsheimer die Gemeinderäte mit ihren Fragen konfrontieren.
Bereits bei der Besichtigung der vorgesehenen Baufläche an der Straßenkreuzung „Im Weiher“ und „Fritz-Frey-Straße“ kochten die Emotionen hoch. „Mir habbe Angschd um unsere Kinna“, meldete sich eine unverkennbar gebürtige Handschuhsheimerin lautstark zu Wort. „Halt die Klappe“, war die Antwort aus der Menge der zahlreich erschienenen Bürger. Eine konstruktive Auseinandersetzung war unter diesen Umständen vorerst nicht möglich. Deshalb wurde die mit 200 Menschen gut besuchte Versammlung früher als geplant ins nebenan gelegene Restaurant Volkano verlegt, um die Gemüter zu beruhigen. Die drängendsten Fragen der Bürger lauteten: Warum nimmt Heidelberg freiwillig weitere Flüchtlinge auf? Wie sehen die Baupläne für das Grundstück aus? Wie viele Flüchtlinge kommen und wie lange bleiben sie?
Aufgrund der zentralen Registrierungsstelle im Patrick-Henry-Village (PHV) ist Heidelberg von der Zuweisung weiterer Flüchtlinge befreit. Dass trotzdem neue Unterkünfte in Planung sind, sorgt bei vielen Bürgern für Unverständnis. „Über kurz oder lang wird diese Befreiung durch die Landesregierung aufgehoben“, ist sich Beate Deckwart-Boller, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, sicher. Für diesen Fall wolle man vorbereitet sein. Wann und ob die Flüchtlinge überhaupt kommen, könne man jetzt aber noch nicht absehen.
„Geplant ist der Bau von drei Gebäuden mit insgesamt 14 Wohnungen“, gab SPD-Stadtrat Michael Rochlitz bekannt. Weil ein Umbau der leerstehenden Räumlichkeiten des Hüthig-Verlags um die Ecke zu kostenintensiv sei, habe man sich für einen Neubau entschieden. In den zwei- bis dreistöckigen Häusern sollen 66 Personen untergebracht werden. Das sind 34 weniger als bisher angenommen. Details zum Bauantrag dürften zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben werden. Erst bei der Sondersitzung des Handschuhsheimer Bezirksbeirats am 10. März werde dieser von der Verwaltung offiziell über die konkreten Planungen informiert. Der Baubeginn im April stehe aber bereits jetzt fest. Ende Juni sollen die Häuser einzugsbereit sein.
Man habe sich auch schon auf ein umfassendes Betreuungskonzept geeinigt, gab Sören Michelsburg bekannt, der für die SPD im Handschuhsheimer Bezirksbeirat sitzt. „Neben einem vollzeitbeschäftigten Hausmeister und Sozialarbeiter wird auch eine private Sicherheitsfirma beauftragt, um Schutz zu gewährleisten“. „Für wen denn?“, fragten einige Anwohner belustigt. Das schien auch dem Bezirksbeirat nicht so ganz klar zu sein. „Für beide Seiten“, lautete schließlich die Antwort.
„Wer kommt zu uns nach Handschuhsheim?“ war eine der wichtigsten Fragen der Anwesenden. Das Gerücht über die Unterbringung ausschließlich männlicher Flüchtlinge wiesen die Stadträte zurück. Die geplanten Zwei- und Dreizimmerwohnungen eigneten sich besonders gut für Familien. Da die Zuweisung aber vom Land ausgehe, habe man letztlich keinen Einfluss auf die Besetzung der Unterkünfte.
Neu war für die Anwohner vor allem, dass Flüchtlinge einquartiert werden, die sich in einem laufenden Asylverfahren befinden. In diesem Fall bleiben die Flüchtlinge nur so lange, bis ihr Anerkennungsantrag angenommen oder abgelehnt wird. In der Regel dauert das bis zu einem Jahr. Aufgrund der bisherigen Berichterstattung war man davon ausgegangen, dass die Wohnungen für bereits anerkannte Asylbewerber vorgesehen seien. Wie könne man unter diesen Umständen von Integration sprechen, fragten sich viele Handschuhsheimer. „Es macht keinen Unterschied, ob die Menschen nur für kurze Zeit oder langfristig hier sind“, ist sich Deckwart-Boller sicher. Wichtig sei, dass man sich sofort um die Eingliederung vor allem der Kinder bemühe, damit diese die Schule besuchen könnten. Alles andere sei Zeitverschwendung.
Insgesamt ist die Nutzung der Unterkünfte zunächst auf vier Jahre angelegt. Und dann? „Eine Anschlussnutzung der Gebäude ist möglich, aber noch nicht sicher“, erklärte CDU-Stadtrat Alfred Jakob. Denkbar sei eine Verwendung für soziale Zwecke. Auch über eine künftige Unterbringung von Studenten werde nachgedacht.
Eines ist an diesem Nachmittag klar geworden: Nicht nur seitens der Bürger, auch seitens der Gemeindevertreter herrscht hinsichtlich vieler Fragen noch Ungewissheit. Angesichts dessen überraschte zuweilen die Selbstverständlichkeit, mit der die Stadträte die „Faktenlage“ präsentierten. Dennoch konnten bei dem Treffen einige Bedenken der Anwohner zerstreut und die Plattform für eine konstruktive Auseinandersetzung geschaffen werden.
Von Manon Lorenz