Mozart und Mendelssohn sind die Komponisten, denen sich Igor Levit, Jörg Widmann und das Irish Chamber Orchestra in Zukunft widmen möchten. Und das scheint keine allzu schlechte Idee zu sein, wie das Konzert am Mittwochabend beim Heidelberger Frühling zeigte, bei dem ebendiese Komponisten auf dem Programm standen. Gerade Mendelssohns eher selten aufgeführte Frühwerke bringen eine immense Lebendigkeit, aber auch ihre Tücken mit sich, die das Orchester teilweise an seine Grenzen brachte.
Beide Komponisten gelten als Wunderkinder und schrieben bereits in jungen Jahren Werke von großer Komplexität. Mendelssohns Jugendwerke bildeten einen Teil des Konzerts in der Stadthalle: Seine 12. Streichersinfonie komponierte der deutsche Komponist schon zwischen seinem 12. und 14. Lebensjahr und auch die 1. Sinfonie entstand nur ein Jahr später. Die Streichersinfonie geht als ein Studienwerk deutlich über bloße Tonsatzübungen hinaus und befasst sich auf das Vorbild Bach berufend mit der Fugenkomposition.
Und so wie Mendelssohn dieses Thema mustergültig behandelt, ist Jörg Widmanns Dirigat mit seinen klaren Stimmeinsätzen in gewisser Form vorbildlich, um eine Fuge an den Zuhörer zu vermitteln. Überdies gelingt es Widmann, die Lebendigkeit dieser frühen Werke Mendelssohns auf das Orchester zu übertragen. Besonders die dynamischen Abstufungen überzeugen – wenn nötig auch als deutliche Kontraste. Zum Takt hüpfend und mit einer Geste, als wolle er die Musik mit seinen Händen dem Orchester zuwerfen, treibt Widmann als Motor das Orchester an.
Nur birgt diese Musik eines jungen Wilden eben dann ihre Tücken, wenn das Orchester dem Elan des Dirigenten nicht nachkommen kann. Und tatsächlich wirkte das Irish Chamber Orchestra zum Teil überfordert damit, Leidenschaft und Schwung der Musik in eine saubere technische Ausführung zu überführen. Als Hauptproblem erwies sich dabei das für das Orchester häufig zu rasch gewählte Tempo in den Schlusssätzen, was zu Problemen bei Intonation und Zusammenspiel führte.
Dass Jörg Widmann neben seiner Tätigkeit als Dirigent in erster Linie ein hervorragender Klarinettist und Komponist ist, zeigte er bei seiner Fantasie für Klarinette solo. Ein Stück, das auf der einen Seite hohe spieltechnische Ansprüche stellt, zum anderen mit seiner experimentellen Klangvielfalt und seinen unerwarteten Wendungen einen erfrischenden Kontrast zu den stürmischen Kompositionen Mozarts und Mendelssohns lieferte.
Igor Levit unterstrich derweil ein weiteres Mal, dass er einer der besten Pianisten der Gegenwart ist. Präsent von den ersten Tönen an lebt er die Musik auf eine authentische und leidenschaftliche Weise, ohne sich dabei in großen Gesten zu verlieren. Grinsend trommelt er während der Orchesterpassagen mit den Fingern zur Musik auf dem Klavierhocker herum, als könne er es kaum erwarten, endlich wieder in das Geschehen einzugreifen. Und das ist in Mozarts 9. Klavierkonzert durchaus wörtlich zu verstehen, denn zum ersten Mal tritt dort das Klavier als ein Teil des Orchesters auf und lässt gleich zu Beginn des ersten Satzes das Orchester nicht einmal das Thema ohne pianistischen Zwischenruf präsentieren.
Obendrein hat Levit auch auf die Orchestermusiker eine beeindruckende Wirkung und so kann man den Musikern nicht nur bei Levits Zugabe vor der Pause – dem Waltz-Scherzo von Schostakowitsch – ansehen, wie sehr das Spiel des 29-Jährigen sie in den Bann zieht. Doch auch bei Mozart kann das Orchester stellenweise nicht mit Levits brillantem und trotz aller interpretatorischen Freiheit klar strukturiertem Spiel mithalten. Besonders deutlich wird dies im etwas zu rasanten Schlusssatz. Schließlich wird die an sich mutige Vorstellung von unbändigem Sturm und Drang im Konzertsaal ein wenig getrübt. Daran änderte auch Widmanns göttlich anmutende Bearbeitung von Mendelssohns Andante mit Harfe und Celesta nichts, die einen gelungenen Abschluss des Konzerts bot.
von Jesper Klein