Der StuRa steckt in einem Kreislauf aus Unsichtbarkeit, Personalmangel und niedriger Wahlbeteiligung fest. Dabei könnte die Lösung einfach sein.
[dropcap]E[/dropcap]gal ob in der WG, in der Mensa oder am Institut – kommt das Gespräch mit anderen Studierenden in der eigenen Umgebung auf das Thema „Studierendenrat“, ist die Reaktion meistens: „Was machen die überhaupt?“ Oder gar: „Ach die, die streiten und verklagen sich doch sowieso nur.“ Fakt ist: Nur wenige kennen den StuRa oder die Verfasste Studierendenschaft (VS) und wissen, was eigentlich deren Aufgaben und Möglichkeiten sind. Die Wahlbeteiligungen der letzten Jahre, alle bestenfalls um die 13 Prozent, sprechen für sich. Keine schöne Bilanz für die studentische Mitbestimmung, die in Baden-Württemberg „nach 36 Jahren staatlich verordneter Sprachlosigkeit“ seit 2013 wieder größeres Gewicht bekommen sollte. So zumindest in der Präambel der Heidelberger VS-Satzung. Doch was läuft falsch in der Heidelberger Hochschulpolitik?
Zunächst fällt auf, dass die VS vor allem dann größere öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, wenn die Schlagzeilen negativ sind oder Konflikte versprechen. Das fängt bei Streit um Aufwandsentschädigungen oder plötzlichen Vorsitz-Rücktritten an und endet bei Überschriften wie „Geld für Krawalle?“ oder „Maximale Eskalation“. Der ruprecht bildet dabei keine Ausnahme – doch so funktionieren nun mal Nachrichten, die interessant sein sollen. „Natürlich wird eher über große medienwirksame Themen berichtet als über die allgemeine Arbeit der VS“, meint auch Christine Süß, Öffentlichkeitsreferentin der VS. „Eine Ausnahme ist aber die Rechtsberatung für Studierende, auf die wurde immer wieder aufmerksam gemacht.“ Doch flächendeckendes Bewusstsein darüber, dass der StuRa eigentlich über eine halbe Million Euro zum Wohl der Studierenden einsetzen soll? Fehlanzeige. Auch die vielen Initiativen, die der StuRa inzwischen mit hohen Beträgen finanziert, weisen erst allmählich mit dem StuRa-Logo auf die Unterstützung hin.
Wir sind arbeitsfähig, brauchen aber noch mehr Leute
Doch wenn diejenigen, die den StuRa überhaupt kennen, vor allem von Konflikten, ausufernden Debatten und Rücktritten wegen Überlastung erfahren, ist nur wenig Anreiz da, sich selbst zu engagieren. Die Folge: Personalmangel. Immer wieder hat der StuRa große Schwierigkeiten, Posten zu besetzen – bestes Beispiel dafür ist der Haushaltsausschuss, der seit mittlerweile zwei Jahren unbesetzt ist. „Wir sind auf jeden Fall arbeitsfähig“, betont Christine. „Es gibt viele Engagierte, aber gerade für die Referate bräuchten wir trotzdem noch zusätzliche Leute.“ Darauf weist man in den StuRa-Sitzungen zwar immer wieder hin, doch: „Dort bekommen es ja vor allem diejenigen mit, die sowieso aktiv sind. Und wenn die StuRa-Mitglieder ihre Hochschulgruppen und Fachschaften über den Bedarf informieren, erreicht es auch eher Leute, die sich schon viel engagieren“, meint André Müller vom Wahlausschuss.
Eine Möglichkeit, Engagierte bei der VS mit ECTS-Punkten zu „belohnen“, schließt er aber aus: „Das gibt es zwar an anderen Hochschulen, aber wir setzen eher auf die eigene Motivation der Leute.“ In den einzelnen Fachschaften dagegen sind sehr viele Studierende aktiv. Als Teil der VS müssen sie jedoch einen Großteil ihrer Abrechnungen über das Finanzreferat und die Haushaltsbeauftragte der VS regeln. Deren Stelle blieb Anfang des Jahres zu allem Überfluss einige Wochen unbesetzt. Bis sich die Nachfolgerin eingearbeitet hatte, stapelten sich die fälligen Rechnungen im StuRa-Büro – zum Unmut der Fachschaften. „Der Übergang war holpriger als gehofft, zufrieden ist damit niemand“, urteilt Finanzreferent Wolf Weidner.
Die VS erreicht also den Alltag der meisten Studierenden nicht so stark, wie sie es könnte. So erklärt sich zu einem guten Teil auch die niedrige Wahlbeteiligung. Zugegeben, an anderen Unis wie Freiburg oder Tübingen gehen sogar regelmäßig nur etwa zehn Prozent an die Urnen, doch Beispiele wie Mannheim oder Köln zeigen, dass 20 Prozent oder mehr durchaus realistisch sind. Dazu kommt, dass in Heidelberg – im Gegensatz zu vielen anderen Unis – nur in vier Wahllokalen gewählt werden kann, dafür aber gleichzeitig auch Senat und Fakultätsräte. „Aktuell wählen fast nur diejenigen, die zufällig an einem der Wahllokale vorbeikommen, und das wären bei mehr Wahllokalen natürlich mehr Leute“, erklärt André. Der Wahlkampf der antretenden Listen beschränkt sich neben Plakaten vor allem auf die drei Wahltage und die Umgebung der Wahllokale. Zwar gibt es auch kreative Ideen wie kostenlose Snacks, aber eine radikale Ausweitung des Wahlkampfs scheint nicht in Sicht. „Eine zentrale Podiumsdiskussion zwischen den Listen wäre vielleicht für viele interessant“, vermutet Christine. Doch in diesem Jahr wird es nicht mehr dazu kommen.
Insgesamt kommt dadurch ein Kreislauf in Gang, aus dem die VS nur schwer ausbrechen kann. Geringe Bekanntheit hält die Wahlbeteiligung niedrig und führt dazu, dass der StuRa es schwer dabei hat, neue Engagierte zu finden. Bürokratie und hoher Arbeitsaufwand schrecken zusätzlich ab. Das alles behindert die eigentliche Arbeit und fabriziert so negative Schlagzeilen.
Nicht zu vergessen die Frage, ob der StuRa bei 13 Prozent Wahlbeteiligung überhaupt repräsentativ sein kann. Dem widerspricht André allerdings: „Die Mehrheitsverhältnisse halte ich für realistisch, und auch die Fachschaften bringen einen sehr breiten Querschnitt der Studierendenschaft in den StuRa.“ Doch sicher weiß die VS das erst, wenn mehr Studierende zur Wahl gehen. Und das ist auch der einzig denkbare Ausbruch aus diesem Teufelskreis. So entsteht größere Bekanntheit, mehr Engagement und der StuRa kann tatsächlich für Verbesserungen sorgen, die jeder in seinem Alltag spürt. Dabei ist es die Pflicht aller, sich auch an der Uni demokratisch zu beteiligen. Doch auch der StuRa muss sich noch deutlich mehr um seine Bekanntheit bemühen, bis er seine Rolle voll erfüllen kann.
Von Simon Koenigsdorff