Das erste Heidelberger Literaturcamp bot den Teilnehmern spontane Workshops
Plötzlich mit einem Mikrofon in einer großen Halle stehen und sich mit Vornamen und drei Hashtags vorstellen? Beim Literaturcamp 2016 in Heidelberg ist man direkt in das Geschehen eingebunden. Am Wochenende vom 11. und 12. Juni haben sich rund 200 Barcamp-Teilnehmer im DEZERNAT 16 in der alten Feuerwache Heidelbergs versammelt, um unter dem Motto „Buch 2.0 – Zukunft des Buches in der digitalen Welt“ sich über traditionelles und digitales Literaturschaffen auszutauschen. Aus ganz Deutschland sind sie angereist – Studenten, Verlagsgründer, Blogger, Self-Publisher, Buchhändler, Literaturfans und Autoren – zu einer Zusammenkunft besonderer Art.
Denn nichts steht am Samstagmorgen vor der Sessionplanung fest: Angelehnt an das Barcamp-Konzept aus den USA von Tim O’Reilly handelt es sich um ein offenes Veranstaltungsformat, das von den Teilnehmern selbst gestaltet wird. So bieten die Teilnehmer spontan 45-minütige Sessions zu Themen an, denen bei Interesse Raum und Zeit zugewiesen werden. Alles ist möglich. Man spricht und diskutiert über Crowdfunding, E-book-Piraterie, Schreibblockaden und Inspirationsquellen, Bloggen oder wie man den ersten Verlag anschreibt. Ab 20 Uhr wird über Erotikliteratur gesprochen. Bei sechs zeitgleichen Veranstaltungen ist die Auswahl groß, viele erleben die Qual der Wahl.
In den Sessions teilen die Sprecher mit den anderen Teilnehmern ihr fachliches Wissen, aber auch praktische Tipps und berührende Geschichten. Uwe schildert, wie er nach einem Suizidversuch durch seine Twitterposts über den Klinikalltag #ausderKlapse zu einem Verlagsvertrag für sein neues Buch gekommen ist. Christine ist Autorin und Ghostwriterin für Ratgeber und Sachbücher. Selim spricht davon, dass Kreativität durch Aufhebung fiktiver Grenzen entsteht. Mit Alex sucht man in Buchseiten „versteckte Verse“, indem man so lange Wörter herausstreicht bis man seine Lyrik gefunden hat.
Es sind die Begegnungen in den Essenspausen, bei denen die Teilnehmer ins lockere Gespräch kommen, sich über die Sessions austauschen und Kontakte knüpfen. Nach jeder Session gerät das Twitter-Monitoring richtig in Fahrt. Denn so sehr es nervt, wenn jemand die ganze Zeit am Smartphone klebt, auf dem Literaturcamp gilt die Devise: Wissen teilen und Ideen in die Welt tragen.
Susanne Kasper ist eine der Hauptorganisatoren dieses ersten Literaturcamps und sehr glücklich darüber, wie gut es bei den Barcamp-Besuchern angekommen ist. In der Tat wird in der großen Halle und auch im Netz viel Lob ausgesprochen.
Man staunt, wie gut alles ohne genauere Planung ablaufen kann. Die Menschen blühen im Gespräch auf, twittern ihre Begeisterung unter #litcamp16. Es sind fast zu viele Eindrücke auf einmal. Das Schönste ist das persönliche „Du“, wodurch man allen auf Augenhöhe begegnet.
Von Anna Klose