Schön, dass es ein neues Café in der Plöck gibt. Schade, dass das „Stokley’s“ zu viel will
Linkerhand der Zuckerladen, rechts „The Flame“; gegenüber das Parkhaus, in dem einmal Hegel wohnte: Die Nachbarschaft könnte besser kaum sein, mitten in der Plöck, wo man ja immer nur dasitzen und bei einem Heißgetränk das Durcheinander auf der heimlichen Hauptstraße Heidelbergs beobachten möchte. Ein gemütliches Café fehlte hier schon, als es die Filiale der Deutschen Post noch gab; nach deren Schließung im letzten Jahr war die gastronomische Nutzung dieses Ortes im Grunde alternativlos.
Die Idee war also gut und die Welt auch bereit, als im April das Café „Stokley’s“ eröffnete. Die Einrichtung: „cabin style“, eine Referenz auf nordamerikanische Waldhütten, rustikal und naturnah. Wurzelholztische und Naturfotos sollen Waldeinsamkeitsatmosphäre erzeugen: Das Café als Rückzugsort. Leider funktioniert das nicht, zu schief erscheint die Vorstellung, dass hinten in der Ecke ein bärtiger Thoreau sitzt, seinen 20-oz-Flavored-Latte schlürft und dabei im Gratis-WLAN surft.
Über den Kaffee lässt sich sagen, dass es zumindest reichlich davon gibt. Von den drei verfügbaren Größen wirkt schon die kleinste (300 ml bzw. 12 oz) zwar nicht gerade bescheiden, aber das nimmt man mit stillem Verweis auf das US-amerikanische Selbstverständnis der Betreiber gerade noch hin. Den Kaffeeimperialismus geißeln möchte man aber spätestens angesichts der käuflich zu erwerbenden „Stokley’s“-Tassen, wiederverwendbaren Kaffeebecher und „Homemade Ice Cream – Best in town!“-Nostalgie-Blechschildern. Die Folge dieser, ja, Vertriebsstrategie: Die von der Interieurgestaltung intendierte Behaglichkeit mag nicht wirklich aufkommen. Dem Café-Gast könnten die Fenster, als wahre Schau-Fenster, übergroße Bildschirme auf das Plöcktreiben sein – stattdessen sind sie Auslagefenster für Coffeeshop-Kunden. „Coffee & more“, wo Kaffee alleine vielleicht auch genügt hätte.
Zugutehalten wenigstens muss man den Betreiberinnen ihre Authentizität. Die beiden Schwestern – Deutsch-Amerikanerinnen, die Familie stammt aus Seattle im US-Bundesstaat Washington (dem Evergreen-State, daher die Wald- und Hüttensache) – haben sich mit der Eröffnung des Cafés einen kleinen Traum erfüllt; zu den Reminiszenzen an ihre Herkunft gehört nicht zuletzt die Verewigung des verstorbenen Vaters im Café-Logo. Doch auch wenn sie mit Engagement bei der Sache sind: An die etablierten Cafés wie das „Moro“ in der Hauptstraße oder die hipperen Neueröffnungen der letzten Jahre wie das „Pannonica“ in der Ingrimstraße reicht das „Stokley’s“ nicht heran.
Von Kai Gräf
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Altstadt
Plöck 91
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 7.30 – 18 Uhr
Samstag 9 – 18 Uhr
Sonntag geschlossen
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Ich muss dem Bericht auch ein wenig widerprechen – ich sitze just in diesem Moment gemütlich im Stokley’s, habe eben eine grandiose Cappuccino weggeschlürft (wie gut, dass das Konzept von gutem Kaffee auch endlich in Heidelberg angekommen ist – mit Coffee Nerd und co. hat sich die Lage in letzter Zeit wirklich drastisch verbessert) und finde es hier wirklich unheimlich heimelig. Der Laden ist modern und zugleich sehr schön rustikal, die sitzgelegenheiten total bequem und sogar zum lernen setze ich mich hier hin und wieder rein. Top!
Schön einen Bericht über das Stockleys zu lesen – allerdings muss ich größtenteils widersprechen.
Ich freue mich als Plöck-Bewohnerin seit Tag Eins über das Café in der ehemaligen Postfiliale.
Die Betreiberinnen sind herzlich und leidenschaftlich dabei sich einen Traum zu erfüllen und der Kaffee ist gut!
Was das Konzept betrifft sollte man hier vielleicht in Betracht, dass es vor allem darum ging eine stimmige Einrichtung zu schaffen, ohne Franchise oder Einrichtungs-Spezislisten.
Ich hab vor einiger Zeit mal mit Beiden zusammen gesessen,der Coffee-Shop existiert durch die Auflage, dass es einen Ladenanteil geben muss, auch wenn das bedeutet, dass Thoreau villeicht traurig ist, dass es Blechschilder und Wifi gibt.
Ihm wäre aber auch aufgefallen, dass im Stockleys vor allem Liebe steckt und vielleicht hätte er sich insbesondere aus diesem Grund einen oder mehrere große amerikanische Kaffe bestellt.