Ein Ausflug in den Stadtwald bietet Ruhe für die stressgeplagte Studiseele. Der entspannenden Wirkung des Waldes ist sogar die Wissenschaft auf der Spur
[dropcap]I[/dropcap]ch bin umgeben von Grün. Klee, Moos und Farne umsäumen den matschigen Trampelpfad, der unter meinen Schuhen rutscht. Der süße Geruch von Harz liegt in der Luft. Ich kann es kaum glauben, dass ich vor 20 Minuten noch in der Vorlesung saß. Ich bin auf Wanderschaft im Stadtwald, der nur einen Katzensprung von der Altstadt entfernt ist. Wandern ist eine Freizeitaktivität, die – zumindest bei kleineren Touren – ohne besondere Ausrüstung auskommt. Ein kleiner Rucksack mit Verpflegung und ausreichend zu Trinken, festes Schuhwerk und ein GPS-fähiges Handy, dessen Karten auch im Offlinemodus verfügbar sind, sind alles was man braucht. Anders als der Eintritt ins Schwimmbad oder Fitnessstudio ist ein Waldspaziergang kostenlos. Gut für den Körper ist das Wandern auch.
Studien japanischer Mediziner deuten darauf hin, dass der Aufenthalt im Wald das Immunsystem stärkt. Auch die Produktion von Stresshormonen senke sich. Grund dafür seien von Pflanzen hergestellte Terpene in der Luft. Gleichzeitig schüttet der Körper während des Gehens Glückshormone aus. Das sorgt für Entspannung. 2015 wurde der Heidelberger Stadtwald als „Erholungswald“ ausgezeichnet. Auch ich bemerke diesen Effekt, als ich auf den Königstuhl wandere. Meine Gedanken sind auf das Hier und Jetzt gerichtet. Das müssen sie auch, denn die Unwetter der letzten Tage haben auf dem Pfad Steine freigespült. Ich muss mich auf jeden meiner Schritte konzentrieren, um nicht darüber zu stolpern. Der Königstuhl ist mit knapp 570 Metern der höchste Berg Heidelbergs. Vom Schloss aus erreicht man ihn über die Himmelsleiter, eine Treppe mit circa 1200 Stufen. Für den unerfahrenen Wandernden eignet sich die Fahrt mit der Bergbahn zur Station Molkenkur. Die Nutzung der Bahn ist für Studierende mit Semesterticket kostenlos. Auch die Buslinie 39 fährt vom Bismarckplatz aus auf den Königstuhl. Ich entscheide mich für einen längeren Fußweg, der zunächst der Autostraße folgt.
Die Fauna zeigt sich mir in Gestalt von Bienen, Käfern und einer scheuen Blindschleiche, die sich sonnt. An einer Blockhütte mache ich für eine Weile Rast. Als ich weitergehe, führt mich der Weg tiefer in den Wald. Nur wenig Licht dringt durch die Wipfel der Nadelbäume. Ich fühle mich ein wenig wie Rotkäppchen, doch ein Wolf begegnet mir nicht. Stattdessen werde ich von einem Jogger überholt. Auf meinem Handy überprüfe ich meinen Standort. Es stellt sich heraus, dass ich eine wichtige Abzweigung verpasst habe. Da der richtige Weg parallel zu meinem liegt, entscheide mich dafür, den Pfad zu verlassen.
Als ich wieder auf Kurs bin, kommt mir ein Mountainbike-Fahrer entgegen. Nach zweistündiger Wanderung habe ich mein Ziel erreicht. Die Aussicht ist beeindruckend, doch nicht das Einzige, was der Gipfel zu bieten hat. In fußläufiger Entfernung befinden sich eine Falknerei und ein Spieleparadies für Kinder, sowie astronomische Einrichtungen. Bei dem Kiosk an der Bergbahn, die hier ihre letzte Station hat, gönne ich mir ein Eis.
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Auch der Heiligenberg auf der anderen Neckarseite eignet sich für eine Wanderung. Die erste Etappe führt den Philosophenweg hinauf. Auf seiner höchsten Stufe bietet er einen guten Blick auf das Schloss. Hier kann man Eidechsen beobachten, die sich an der steinigen Wegbefestigung sehr wohl fühlen. Am Aussichtspunkt verlässt man den Philosophenweg. Weiter geht es auf breiten Pfaden durch die Bäume. Die Route dürfte den hunderten von Menschen bekannt sein, die jährlich an der traditionellen Wanderung zur Thingstätte in der Nacht zum ersten Mai teilnehmen. Das von den Nazis erbaute Amphitheater ist auch bei Tageslicht einen Besuch wert. An Sonn- und Feiertagen fährt von 10 bis 17 Uhr stündlich ein Bus hinunter. Zuhause angekommen lege ich meine Andenken ab: Kleeblätter, Tannenzapfen und ein Wanderstock. Der nächste Berg kann kommen.
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Informationen zu Erlebnispfaden und Wanderwegen in der Region:
Neckarsteig 126 km Länge (13 km bis Neckargemünd), Anfang: Heidelberger Schloss
Erlebniswanderweg Wein und Kultur 8 km Länge, Anfang: Rathaus Rohrbach
Via Naturae 8 km Länge, Anfang: Königstuhl
Walderlebnispfad 2 km Länge, Anfang: Königstuhl
Historischer Pfad 12 km Länge, Anfang: Stadtgarten
Keltenweg 2 km Länge, Anfang: auf dem Heiligenberg
Burgensteig 120 km Länge (12 km bis Dossenheim), Anfang: Philosophenweg
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von Hannah Lena Puschnig