Die zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie zeigt, wie die älteste Generation fühlt und lebt – und wie sie eingeschränkt ist
Wie sieht das Leben von Menschen aus, die bereits seit einem Jahrhundert leben? An welchen Erkrankungen leiden sie und wie verändert sich ihre Lebenssituation?
In Deutschland erreichen immer mehr Menschen ein hohes Alter. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Heidelberger Instituts für Gerontologie werteten zusammen mit Studienleiterin Daniela Jopp die Daten der im Jahr 2013 veröffentlichten zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie unter dem Gesichtspunkt von gesundheitlichen Problemen Hundertjähriger aus.
Befragt wurden 112 Menschen aus der Rhein-Neckar-Region, die in den Jahren 2011 und 2012 genau 100 Jahre alt waren. Konnten diese aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Befragung teilnehmen, taten es stattdessen ihre Angehörigen für sie. Die befragten Familienmitglieder sind hauptsächlich Kinder der Hundertjährigen, die ihre Eltern pflegen oder die Pflege organisieren, obwohl sie auch schon selbst in einem fortgeschrittenen Alter sind. Die Ergebnisse der Studie helfen, die gesundheitliche Situation der älteren Generation besser zu verstehen. In einigen Bereichen ließ sich eine Verbesserung im Vergleich zur ersten Heidelberger Hundertjährigen Studie vom Jahr 2001 feststellen. Zum Beispiel ist die Zahl der Hundertjährigen, die keine oder geringe geistige Schäden aufweisen, von 41 Prozent auf 52 Prozent gestiegen und mehr Menschen in hohem Alter sind in der Lage, einfache Lebensaufgaben wie Telefonieren, Kochen oder Essen selbstständig zu übernehmen.
Trotzdem wurde durch die Studie erkannt, dass hochaltrige Menschen im Durchschnitt fünf akute oder chronische Erkrankungen aufweisen, fast immer im Hör- und Sehvermögen eingeschränkt sind und mehr als 70 Prozent von ihnen unter Mobilitätsproblemen leiden.
Ebenfalls mehr als 70 Prozent der Befragten berichteten von einem Hörsturz seit ihrem 95. Lebensjahr. Weitere gesundheitliche Beschwerden sind Erkrankungen des Bewegungsapparats und Arthritis. Zwei Drittel der befragten Hundertjährigen leidet unter Herz-Kreislauferkrankungen, 36 Prozent gaben an, dass ihre Schmerzen über dem noch Erträglichen liegen. Es stellt sich daher die Frage, was gegen diese teilweise sehr besorgniserregenden Ergebnisse getan werden kann. Da auch eine zukünftige Pflege durch die Kinder nicht realistisch ist, ist es nach der Studienleiterin Daniela Jopp wichtig, alternative Pflegestrukturen zu entwickeln. Zudem müsse die Gesellschaft einen Weg finden, die Mobilität der älteren Bevölkerung zu fördern und somit ihre Selbständigkeit zu steigern. Um die Einschränkungen im Hör- und Sehvermögen zu verbessern, könne es helfen, Hörgeräte und Brillen häufig anzupassen.
„Auch im hohen Alter verändern sich die Fähigkeiten, und eine regelmäßige Anpassung kann helfen, den hochbetagten Menschen einen besseren Zugang zum Alltagsleben und zur Teilhabe zu ermöglichen“, sagt Jopp. „Dies ist vor allem wichtig, weil diese Einschränkungen häufig gravierende Folgen für die Lebensqualität haben – beispielsweise auch Depressionen.“ Die Studie wurde von der Dietmar-Hopp-Stiftung und der Robert-Bosch-Stiftung gefördert.
Von Elif Dabazoglu