Über zwei Jahrhunderte teilte eine Mauer die Heiliggeistkirche. Erst ein freidenkender Pfarrer brachte sie vor 80 Jahren zu Fall – gegen die Zeichen seiner Zeit
Betritt ein heutiger Besucher die Heiliggeistkirche im Zentrum Heidelbergs, umfängt ihn zunächst einmal die Anmutung zeitloser Konstanz. Doch der Schein trügt. Noch vor 80 Jahren spaltete eine Mauer Kirchenraum und Gemeinde in zwei Teile.
Die missliche Lage entstand inmitten der Wirren nachreformatorischer Zeit. In mehreren Herrschaftswechseln war die Kirche in frohem Reigen zwischen lutherischer, reformierter, calvinistischer und katholischer Hand hin- und hergewechselt. Dieses konfessionelle Gewirr versuchte der junge Kurfürst Johann Wilhelm im Jahr 1698 mit der sogenannten „Pfälzischen Kirchenteilung“ ein für allemal zu beenden.
Während die meisten Kirchen auf dem Gebiet der Pfalz endgültig einer Konfession zugesprochen wurden, sollten in der Heiliggeistkirche nun sowohl Katholiken wie auch Reformierte ihre Messen feiern dürfen. So fortschrittlich uns dieser Gedanke heute erscheinen mag – die reformierte Gemeinde als vorherige Alleinnutzerin war von der Lösung nur wenig begeistert. Und auch die Katholiken waren nicht gewillt, sich mit der Konkurrenz zu arrangieren. Andauernder Streit um Messzeiten, Zeremoniell und Baumaßnahmen war die Folge. Der Kurfürst klärte die Situation schließlich pragmatisch: Die Kirche wurde durch eine Mauer getrennt. So mussten die Katholiken ihre Gottesdienste fortan im Chor und die Protestanten im Kirchenschiff abhalten. Diese Trennung blieb, von einigen kurzzeitigen Unterbrechungen abgesehen, über zwei Jahrhunderte bestehen. Der Zeitpunkt, an dem die Mauer fiel, ist im Auge der Nachwelt wohl am besten mit „Ironie der Geschichte“ zu beschreiben. Drei Jahre nach der „Machtergreifung“ hatten die Nationalsozialisten Heidelberg fest im Griff. Dem im Widerstand engagierten Pfarrer der Heiliggeistkirche, Herrmann Maas, kam es in dieser Situation gerade recht, dass die vollständigen Nutzungsrechte der evangelische Kirche zugesprochen wurden.
Am 24. Juni 1936 feierte er in einem feierlichen Gottesdienst den Niederriss der Mauer, welche über 230 Jahre die Kirche geteilt hatte. So fiel nicht nur die Trennung zwischen den Konfessionen – Maas setzte ein Zeichen für Solidarität und Offenheit, welches uns nicht zuletzt heute vor Augen stehen sollte.
Von Jakob Bauer