Südostasien wird als Reiseziel immer beliebter. Wer Einzigartigkeit sucht, findet sich jedoch oft auf ausgetretenen Pfaden wieder. Ein Plädoyer für mehr Individualität
Es ist 4:30 Uhr und das Thermometer zeigt fast angenehme 30 Grad. Die Federn in der abgewetzten Sitzbank unseres TukTuks quietschen, als wir über die löchrigen Straßen rumpeln. In der dunklen, sirrenden Luft des Dschungels erstreckt sich eine lange Straße.
Wie Ameisen reihen sich kleine Fahrzeuge aneinander, die Motorräder knattern laut in der Morgendämmerung. Der Weg führt zu einem der größten kulturellen Erbe der Welt: den Khmertempeln von Angkor Wat. Wir müssen uns beeilen, schließlich wollen wir den Sonnenaufgang sehen – ein Geheimtipp, der in jedem Lonely Planet-Reiseführer steht.
Zwischen Northfacejacken und Deuter-Rucksäcken ist es gar nicht mehr so einfach, das große Abenteuer zu suchen. Ein Schwarm Individualisten zieht von Stadt zu Stadt, zusammengepfercht in eigenen Touristenbussen, immer erkennbar an der allgegenwärtigen Stoffhose mit Elefantenmuster. Backpacker-Hostels mit Rooftop-Terrasse locken mit günstigem Bier und für asiatische Verhältnisse bequemen Betten. Bei Pizza und Oreokeksen feiert man die eigene Abenteuerlust und erzählt von den nahezu identischen Ausflügen nach Thailand, Laos und Kambodscha.
Die kontinentalen Staaten Südostasiens werden als Reiseziele immer beliebter. Nach Angaben des World Travel and Tourism Councils gehört beispielsweise Vietnam mittlerweile zu den Top 10 Reisezielen im internationalen Vergleich.
Aber auch Länder wie Laos und Kambodscha erkennen die Wachstumschancen des Tourismus. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Blocks versuchte man sich an die industrialisierenden Nachbarn wie China zu halten und förderte vor allem den Tourismus. Naturkatastrophen und die Gefahren des Terrorismus führten zudem zu einer Verlagerung des Tourismus von beliebten Inseln wie Kho Samui oder Bali auf das südostasiatische Festland. Lokale Bus- oder gar Zugverbindungen sind in Südostasien meist nicht so umfangreich ausgebaut. Eigene Buslinien oder Schiffe transportieren daher ausschließlich Backpacker und andere Touristen – Kontakt zu den Einheimischen ausgeschlossen.
Will man die vermeintlichen Attraktionen dieser Länder sehen, beschleicht einen das Gefühl, sich auf diese Art des Reisens einlassen zu müssen. Wird hier, wie viele in Angkor Wat befürchten, das kulturelle Erbe einer Nation meistbietend ausverkauft, zu Gunsten der wirtschaftlichen Entwicklung? Oder schützt ein kanalisierter Tourismus gar die noch unentdeckten Ecken des Landes, die – stehen sie einmal im Lonely Planet Reiseführer – schnell zum Massenphänomen avancieren? Diese Frage muss wohl letztendlich jeder für sich beantworten. Doch der Individualismus, der einer Backpacker-Reise innewohnt, sollte nicht einem Uniformismus und dem Wettlauf um die Liste der meistgesehenen Attraktionen weichen. Neben dem angesagten Strand aus dem Travel-Blog wartet oft ein ruhiger Küstenstreifen und ein Essen in der Garküche ist ein langlebigeres Souvenir als der asiatische Sonnenhut, der oft nicht den Rückflug überlebt.
Von Laura Heyer
Aus Südostasien