Wissenschaftler des DKFZ suchen Wege, um Bauchspeicheldrüsenkrebs früher zu erkennen. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht
Krebs ist nicht ohne Grund ein großes Thema in der modernen Gesellschaft – mit mehr als 100 Arten, einem breitem Spektrum an Symptomen und weiter Verbreitung bietet die Krankheit viel Raum für medizinische Erfolge und Spekulationen. Ein ganz besonderer Fall ist dabei der Bauchspeicheldrüsenkrebs – die Tumorerkrankung mit der niedrigsten Überlebensrate.
Diese traurige Statistik lässt sich vor allem auf zwei Gründe zurückführen: Zum einen ist diese Krebsart in den frühen Stadien recht unauffällig, da der Tumor meistens zu spät entdeckt wird. Zum anderen streuen die Krebszellen auch schnell Metastasen und können somit in kürzester Zeit auf den ganzen Körper übergreifen.
Zum letzten Faktor gibt es nun neue Theorien seitens des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Forscher der Abteilung „Funktionelle Genomanalyse“ vermuten, dass die Fähigkeit zur frühen Metastasierung bereits vor der Umwandlung der Zelle in eine Krebszelle vorhanden sein kann. Dem Forscherteam unter Leitung von Jörg Hoheisel ist es gelungen, über den Vergleich von chronisch-entzündetem, gesundem und bösartigem Gewebe auf einzelne Faktoren zu schließen, welche als Ursache für diesen Prozess dienen könnten.
Die entdeckten Moleküle gehören zu den miRNAs – einer bestimmten Klasse von zellulären Botenstoffen, die an verschiedenen regulatorischen Vorgängen in der Zelle beteiligt sind. Besonders auffällig ist die sogenannte miR-192, welche in gesundem Gewebe reichlich vorkommt, in den Tumorzellen und entzündetem Gewebe aber nur stark vermindert auftritt. Weitere Versuche weisen darauf hin, dass die Anreicherung der Krebszellen mit diesem Molekül ihre Invasions- und Teilungsfähigkeit deutlich reduziert. Daraus kann man schließen, dass durch eine chronische Entzündung die Krebszellen unter Veränderung des miRNA-Spiegels mit höherer Wahrscheinlichkeit invasiv werden.
„Erst später – nach einigen Monaten oder Jahren – kann eine solche Zelle durch andere Mutationen zur Krebszelle werden“, berichtet Hoheisel. „Doch wenn das einmal passiert ist, geht es direkt los mit dem Metastasieren. Das könnte einer der Gründe sein, wieso Bauchspeicheldrüsenkrebs so gefährlich ist.“ Diese Entdeckung widerlegt somit die verbreitete Theorie, dass die Fähigkeit zur Metastasierung erst nach der Umwandlung zum bösartigen Gewebe von der Zelle durch weitere Mutationen erworben wird.
Die Forscher sehen in diesen Molekülen ein großes Potential für die Diagnostik von Krankheiten, denn ein spezifisches Veränderungsmuster ermöglicht die Unterscheidung zwischen klinisch ähnlichen Fällen. Diese Methode wäre auch schonender für die Patienten. „Wir können fünf Milliliter Blut rausziehen und gucken, welche miRNAs drin sind. Man könnte so eine Aussage darüber treffen, ob die Person krank ist oder nicht, und wenn ja, welche Krankheit das ist“, so Hoheisel. „Diese Tests funktionieren im Labor schon ziemlich gut, aber noch nicht so gut, dass man sie in den Kliniken anwenden könnte“.
Ein weiteres Ziel der Gruppe ist die Identifizierung der Proteine, die von den miRNAs beeinflusst werden und später zu der Metastasierung beitragen. „Wenn man den Mechanismus kennt, gibt es zumindest die Möglichkeit, diesen Mechanismus zu beeinflussen.“
So würde es möglich sein, weitere Stoffe zu finden, welche die ermittelten Veränderungen wieder rückgängig machen können und somit den Ärzten mehr Zeit geben, den Tumor mit herkömmlichen Methoden zu bekämpfen.
Von Elizaveta Bobkova