Der Konstanzer Ökonom Friedrich Breyer fordert in einem Vortrag in Heidelberg die Liberalisierung des Marktes für Spenderorgane. Doch der Widerstand ist groß
Transplantierbare Organe sind gefragt wie nie. Doch spenden will kaum jemand. So müssen viele Patienten jahrelang mit kaum funktionierenden Organen durch temporäre Behandlungsmethoden am Leben gehalten werden. Die lebensrettende Hilfe kommt spät – oft zu spät. Dass die Zahl gespendeter Organe steigen muss, bezweifelt niemand. Doch wie dies erreicht werden soll, ist unter den Beteiligten höchst umstritten.
In einem Vortrag an der Universität Heidelberg im Juni stellte Friedrich Breyer, Ökonom an der Universität Konstanz, das Publikum vor provokante Alternativen. Das zentrale Problem sieht Breyer in den mangelnden Anreizen, sein Organ zur Verfügung zu stellen. Viele potentielle Spender würden deshalb überhaupt keinen Spenderausweis besitzen. Mit einer Mischung aus „Zuckerbrot und Peitsche“ soll die Motivation gestärkt werden. So sollten Menschen, welche ihre Organe nach dem Tod zur Verfügung stellen würden, auch bevorzugt werden, falls sie später selbst eine Organspende benötigen. Wer sich dagegen einer Spende verweigere, solle im Bedarfsfall auch erst nachgeordnet berücksichtigt werden.
Auch wenn Breyer betonte, dass niemand zur Organspende gezwungen werden könne, erweckt sein Vorschlag den Eindruck eines indirekten Zwangs. Dies ist nicht nur ethisch umstritten – vor der aktuellen Gesetzeslage ist dieser Vorschlag kaum umsetzbar. So verbietet das Grundgesetz die Einschränkung medizinischer Behandlung auf Grund von persönlichen Entscheidungen.
Ein weiteres Problem besteht laut Breyer in der unzureichenden Registrierung der Spender. Diese würden nicht an einem zentralen Ort erfasst, weswegen die Ärzte auf den physischen Spendeausweis angewiesen wären. Viele Spender würden dieses Dokument jedoch im Alltag nicht mit sich tragen, wodurch viele potentielle Organspenden in der Praxis gar nicht erst zustande kämen. Eine Lösung sieht er in der Einführung eines zentralen Organspenderegisters.
Bei Lebendspenden wird die Diskussion noch einmal ungleich komplizierter. Nach geltendem Recht ist die Entnahme von Organen von Lebenden nur unter strengen Bedingungen erlaubt. Um Organhandel zu vermeiden, darf sie nur unter eng verbundenen Menschen stattfinden und muss frei von anderweitigen Anreizen wie einer Bezahlung geschehen. Breyer plädiert hier für eine weitgehende Lockerung der derzeitigen Bestimmungen. Jeder soll prinzipiell die Möglichkeiten haben, seine Organe für Geld zur Verfügung zu stellen. Die Krankenkassen könnten hierbei als Verteiler auftreten und ein „Wettbieten“ um Organe verhindern. Eine Möglichkeit, um Spender vor unüberlegten Entscheidungen zu schützen, sieht Breyer in einem Wechselspiel aus gesundheitlicher Aufklärung und gesetzlichen Bedenkfristen zwischen Entscheidung und Entnahme.
Breyer steht damit in einer ebenso weit verbreiteten wie hoch umstrittenen Position. So betonte Silke Schicktanz, Medizinethikerin an der Universität Göttingen, gegenüber dem Handelsblatt: „Körper sind kein normales Gut.“ Auch der in Harvard lehrende Ökonom Al Roth sieht einen weitgehend liberalisierten Spendemarkt kritisch. In der Konsequenz müsse man so auch denjenigen gewähren lassen, der Auge, Arm oder sogar sein Herz verkaufen wolle. Breyer dagegen will das Argument des Spenderschutzes nicht gelten lassen: „Wir haben in Deutschland durch den Sozialstaat ein gesichertes Existenzminimum, niemand würde deswegen dazu gezwungen sein, ein Organ zu spenden.“
Auch in Heidelberg führte der Vortrag im Anschluss zu kontroversen Diskussionen, bei denen Breyer vor allem ethische Bedenken entgegen gehalten wurden. Die Frage, wie die Bereitschaft zum Organspenden erhöht werden könnte, ist offenbar noch lange nicht geklärt.
Von Jakob Bauer