Von Untoten und Unruhe: BBC-Serie In The Flesh mischt Zombiehorror, Familiendrama und Gesellschaftskritik
Zombies sind in. Längst haben sie die Vampire abgelöst. Selbst Jane Austen ist vor den Untoten nicht mehr sicher. Während viele dieser Zombie-Geschichten auf Schockeffekte setzen, geht die BBC-Serie In The Flesh einen anderen Weg. In England ist die erste von zwei Staffeln zwar auch erst ab 18 Jahren freigegeben (und das zu Recht), doch der Fokus liegt eindeutig woanders. Hauptdarsteller Luke Newberry beschreibt die neun Folgen als Coming-of-age-Geschichte.
[box type=“shadow“ ]Die Handlung
Die Auferstehung aller im Jahre 2009 verstorbenen Menschen führte zu weltweitem Chaos. Bürgerwehren wie die Human Volunteer Front (HVF) formierten sich, um den tollwütigen Zombiemassen Einhalt zu gebieten. Erst die Erfindung des Medikaments Neurotriptyline sorgte für Frieden. Vier Jahre nach der Auferstehung sollen die behandelten Zombies wieder in die Gesellschaft integriert werden. Politisch korrekt werden sie nun „an-PDS-Leidende“ genannt. PDS steht für Partially Deceased Syndrome (Teilweise-Verstorben-Syndrom). Unter den Untoten ist auch der 18-Jährige Kieren Walker, der sich nach dem Tod seines Freundes während eines Afghanistan-Einsatzes das Leben genommen hatte. Er kehrt zurück in das kleine nordenglische Örtchen Roarton. Die Einwohner von Roarton reagieren mit Ablehnung, Vorurteilen und Hass. Auch Kierens Schwester Jem tut sich schwer damit, ihren zurückgekehrten Bruder zu akzeptieren. Für mehr Unruhe sorgt das Auftauchen von Simon, einem Anhänger des mysteriösen Untoten Propheten, der Unabhängigkeit von den Lebenden predigt. [/box]
In The Flesh birgt einige Wendungen in sich. Der ausgezeichnete Drehbuchautor Dominic Mitchell schafft es, ein realistisches Bild von einer Dorfgemeinschaft zu zeichnen, in der der Pfarrer noch die größte Autorität darstellt und Fremde und Andersdenkende mit Skepsis beäugt werden. „Die Leute hier haben mich schon gehasst, bevor ich so war“, sagt Kieren.
Anders als in vielen anderen Filmen führte die weltweite Krise nicht zu einer Begleichung aller Differenzen. Stattdessen entstehen neue politische Lager. Die Pro-Lebenden Partei Victus, versucht die Angst der Menschen für sich zu nutzen. Die fühlen sich häufig im Stich gelassen. Beim Antrittsbesuch des neugewählten Parlamentsmitglieds, verweist er besorgte Bürger auf die Regierungswebseite.
Die Geschichte folgt mehreren Charakteren: HVF-Anführer Gary und Bill kämpfen damit, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Jem wird als Kriegsheldin gefeiert, doch nachts plagen sie Albträume von ihrer Zeit in der HVF. Sie ist hin- und hergerissen zwischen Loyalität ihrem Bruder und ihren Freunden gegenüber. Auch Philip, angehendes Mitglied des Gemeinderats ringt mit seinem Gewissen, als er sich in Kierens verspielte untote beste Freundin Amy verliebt. Eine solche Verbindung ist für Maxine Martin, Mitglied der populistischen Partei Victus, ausgeschlossen.
Die Serie zeigt, wie wir mit Menschen umgehen, die anders sind. Die Diskriminierung der Untoten wird zur Metapher für Rassismus und Homophobie. Statt es jedoch bei einer reinen Metapher zu belassen, zeigt In The Flesh mit dem pansexuellen Kieren Walker auch, wie sich eine Geschichte erzählen lässt, in der die sexuelle Orientierung eines Charakters präsent sein kann, ohne ihn darauf zu reduzieren.
Gespielt wird Kieren Walker von Luke Newberry. Der 26-Jährige war unter anderem in einer Nebenrolle in Sherlock zu sehen. Als Kieren legt er eine beeindruckende Performance ab. Kieren glaubt an das Gute im Menschen, doch Stück für Stück legt er seine Naivität ab. Mal nachdenklich, mal humorvoll („Optimist? Amy, ich habe mich umgebracht!“), aber immer eindringlich. Fans mögen nicht nur sein schauspielerisches Talent, sondern auch seine braunen „Bambi-Augen“, die in der Serie jedoch oftmals hinter Kontaktlinsen verschwinden. Newberry macht jedoch nur einen Teil des Schauwertes der Serie aus. Sie glänzt mit tollen Aufnahmen, die die raue Schönheit Nordenglands perfekt einfangen. Passend dazu ist der Soundtrack, der hypnotische Instrumentalmusik mit den melancholischen Songs von Keaton Henson vermischt. Besonders das Lied „You“ sorgt für Gänsehautstimmung.
2014 gewann In The Flesh den BAFTA für die beste Mini-Serie. Zurzeit ist die Serie nur auf Englisch erhältlich. Aufgrund des nordenglischen Akzents der Darsteller lohnt es sich, die Untertitel einzuschalten. DVDs und Blurays gibt es als UK-Import auf Amazon und einzelne Folgen über Amazon Prime. Leider setzte der Sender BBC Three die Serie nach zwei Staffeln ab. Kein abruptes Ende, aber ein paar Fragen bleiben am Ende also unbeantwortet. Dominic Mitchell, der Schöpfer der Serie, verriet Fans auf Twitter jedoch einige seiner Ideen für die dritte Staffel. Fans hoffen auf einen Film, der die Geschichte zu Ende erzählen könnte. Mit dem Hashtag #saveintheflesh versuchen sie Sponsoren auf ihren Wunsch aufmerksam zu machen.
In The Flesh ist anspruchsvolles, spannendes Fernsehen. Perfekt für ein verregnetes Wochenende auf der Couch. Taschentücher und Trostschokolade sollten in Griffweite sein.
Von Hannah Lena Puschnig