Der schwarze Demokrat John Lewis kämpfte für ein Museum der afroamerikanischen Geschichte. Nach fünfzehn Jahren wurde es jetzt eröffnet
Vor einigen Wochen feierte man in Washington, D.C. ein besonderes Ereignis: Die Eröffnung des „National Museum of African American History and Culture“. Zu der feierlichen Einweihung kamen die Obamas, aber auch der ehemalige Präsident Bush. Unter seiner Präsidentschaft wurde der Bau des Museums beschlossen, nachdem einer der dienstältesten Kongressabgeordneten, der schwarze Demokrat John Lewis, etwa 15 Jahre dafür gekämpft hatte. Warum so viel Aufheben um ein Museum? Die Smithsonian Museen, zu denen auch das Neueröffnete zählt, sind die prominentesten und meistbeachtesten Museen der USA. Für die kulturelle Identität der US- Amerikaner sind die „Nationalmuseen“ von unschätzbarer Bedeutung – die abgebildete Version der eigenen Geschichte und Kultur prägt den Blick der Amerikaner auf sich selbst. Die Positionierung der Ausstellungen, zu denen auch das National Holocaust Museum, das Museum of the American Indian und das American History Museum zählen, kommt daher nicht von ungefähr. Auf der Parkanlage der National Mall tummeln sich einige der wichtigsten Gebäude der USA auf wenigen Quadratmeilen: Das Capitol, in dem der Kongress des Landes tagt, das Weiße Haus, in dem der amerikanische Präsident wohnt und arbeitet sind hierzulande vielleicht die bekanntesten. Dazu kommen die imposanten Denkmäler, die an gefochtene Kriege und an unsterbliche Staatsmännern erinnern sollen: Die Weltkriege, der Vietnam- und die Koreakriege, Präsidenten und Gründerväter. In der Summe ist die National Mall so etwas wie ein Freilichtmuseum des Amerikanischen Selbstverständnisses – was wichtig ist für die USA, das findet sich hier.
Die Mall wird ständig erweitert, es kommen immer neue Memorials und Museen hinzu. Während die älteren Darstellungen vor allem Machtdemonstrationen darstellen – das Washington Memorial ist nicht mehr als ein 169 Meter hohes Phallussymbol – schwingt in den neuerlich eröffneten Gebäuden auch zunehmend eine reumütige und selbstkritische Note mit. Im Falle des Museums für Geschichte und Kultur der Afroamerikaner zeigt bereits der sperrige Name des Museums, „National Museum of African American History and Culture“, dass es den Amerikanern auch heute noch nicht leichtfällt, mit der Geschichte der Sklaverei und der Rassentrennung umzugehen. Die Ausstellungsfläche ist gigantisch, allein mit dem Teil zur Geschichte der schwarzen Bevölkerung in Amerika kann der Besucher sich drei Stunden beschäftigen. Im oberen Gebäudeteil wird die spezifisch afroamerikanische Kultur portraitiert – Blues- und Jazzmusik, Literatur und auch afroamerikanische Sportler. Gerade in Zeiten der Rassentrennung war Sport eine der wenigen Professionen, in den auch Schwarze Anerkennung und Repräsentation erfahren konnten, gerade in den typisch amerikanischen Sportarten wie Football, Baseball und Basketball.
Wie sehnsüchtig ein solches Museum erwartet wurde, welch große Lücke durch die Eröffnung geschlossen wurde, zeigt sich neben dem medialen Echo insbesondere im nicht abreißenden Besucherstrom. In den ersten Wochen wurden die Öffnungszeiten bis in die späten Abendstunden ausgeweitet, um das Interesse zumindest ansatzweise zu befriedigen. Auch in dieser Reaktion der amerikanischen Bevölkerung auf das Museum zeigt sich, dass die Aufarbeitung (ein Prozess, für den es im Englischen übrigens keine passende Übersetzung gibt) der afroamerikanischen Geschichte noch lange nicht abgeschlossen ist. Auch in den Wochen kurz vor der Eröffnung des Museums riss die Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner nicht ab. In diesen unruhigen Zeiten hat ein solches Museum eine nicht zu unterschätzende Strahlkraft und ist als Geste der Versöhnung besonders wichtig.
Von Johanna Famulok