Get Well Soon kleidete im Nationaltheater Mannheim ihr Album „Vexations“ in sinfonischem Gewand. Statt Ein-Mann-Band gibt es 220 Seiten Partitur. Ein Gespräch über Stoizismus, Zitate und den Tod.
Begonnen hast Du als Einmann-Band im WG-Zimmer. Nun steht Ihr mit vollbesetztem Sinfonieorchester auf der Bühne. Wie ist das denn passiert?
Konstantin Gropper: Das war die Idee von Jan Dvořák, dem Chefdramaturgen: Pop an die Oper zu holen. In der Reihe werden Alben von Künstlern für Orchester arrangiert. Ich hatte nur das Glück, dass ich der erste war, den er gefragt hat.
Verena Gropper: Wir haben mit Get Well Soon schon ein paar Konzerte mit Orchester gespielt. Aber immer auch mit Band. Jetzt ist die Idee, alle Instrumente zu übersetzen.
Konstantin: Ich kann’s mir immer noch nicht ganz vorstellen.
Fällt es Dir leicht, so viel aus der Hand zu geben?
Konstantin: Schwierig. Ich mach’ das eigentlich nicht so gerne. Aber in dem Fall wäre es anders gar nicht möglich gewesen. Das Projekt kann nur stattfinden, indem ich aus der Hand gebe. Allein das Arrangement hätte ich nicht so schreiben können – oder zumindest nicht so schnell. Das ist spannend. Es ist zwar irgendwo noch meine Musik, aber trotzdem ganz neu für mich.
Seit Januar wart ihr mit dem neuen Album „Love“ auf Tour. Wieso wurde hier das zweite Album ausgewählt?
Konstantin: Alles ganz schön alte Kamellen. (lacht) Aber es macht Sinn, weil das im Original schon relativ orchestral ist und am ehesten von klassischer Musik beeinflusst ist. „Vexations“ hat eh diesen großen Klang. Das gibt das Material schon her.
Hat sich mit der Zeit die Perspektive darauf geändert?
Verena: Ich war überrascht wie gut es ist. (lacht) Ohne Witz, ich habe es total lange nicht mehr gehört. Und mir ist aufgefallen wie viel wir von dem Album live ständig noch spielen.
Konstantin: Das stimmt! Wonach entscheidet sich das?
Verena: Wir spielen, worauf wir Lust haben. Inhaltlich ist das gar nicht so durchdacht. Dann eher vom musikalischen Stil her. Wie ist es, sich inhaltlich wieder mit dem Album auseinanderzusetzen? Da gibt es ja durchaus eine Linie.
Konstantin: Ja, interessant … (stockt) … ganz schön düster ist das!
Verena: Wenn man das Aktuelle dagegen hält, auf jeden Fall.
Konstantin: Ja, aber auch, was dahinter steht. Das ist alles ganz schön ernst. Aber das war dann wohl damals so. (grinst)
In den Besprechungen wurde verbreitet, es sei ein „Konzeptalbum über Stoizismus“. Stimmt das?
Konstantin: So ganz darauf kann man es nicht runter brechen. Aber das ist ein größerer Teil davon. Das hab’ ich vielleicht irgendwann mal gesagt und es wurde dann abgeschrieben. An sich geht’s darum, sich selbst und Dinge nicht so ganz wichtig zu nehmen.
Und wieso hast Du dem Album den Titel „Vexations“ zugeordnet?
Konstantin: Es gibt ein Klavierstück von Satie, das heißt „Vexations“. Das klingt auch an. Und ich fand das Wort sehr schön, „Ärgernisse“. Darum geht es ja auch: Um die Dinge, die auf einen einwirken. Dass man sich den ganzen Tag über Sachen ärgern könnte, wenn man wollte, alles wahnsinnig schlimm finden könnte. Oder man kann’s auch lassen.
Verena: Und wer es lassen kann, der ist Stoiker.
Kann man’s lassen?
Verena: Da musst du einen Stoiker fragen. Ich kann’s nicht.
Konstantin: Ich kann’s auch nicht immer. Aber meistens ist es, glaub ich, eine gute Idee.
In der Stoa betrifft das aber nicht nur Ärgernisse sondern auch die positiven Piken.
Konstantin: Man darf nichts so richtig gut finden, klar. Ich glaube aber, dass das Stoische wahrscheinlich vom Konzept her zu einem einigermaßen glücklichen Leben führt. Da muss man halt in Kauf nehmen, dass es nicht ganz so dramatisch zu geht. Aber letztendlich ist man dann nicht so bipolar. Das ist eher eine sehr ruhige Sache.
Wie genau beginnst Du mit so einem Album?
Konstantin: Ich hab‘ schon am Anfang immer eine Idee, ein Konzept, damit ich mich nicht verzettle. Da gibt’s ein Thema und einen Überbau und dann mach ich eine Art Stoff-Sammlung. Im Prinzip ist es wie eine Hausarbeit zu schreiben. Irgendwann hab ich meine Themen und meine Zitate und baue daraus zusammen.
Es ist also eine Form des ständigen Zitierens?
Konstantin: Auf diesem Album sehr extrem, ja. Es sind tatsächlich fast nur Zitate. Musikalisch wie textlich. Das Zitieren war ein Weg, mich selbst aus dem Zentrum rauszunehmen. Das war in Kombination mit Stoizismus das Konzept: Dass es nicht um mich als Person geht. Es ging mir darum, Dinge weniger wichtig zu nehmen.
Aber es stecken doch ziemlich gewichtige Themen darin.
Konstantin: Ja, habe ich gemerkt. (schmunzelt) Es geht ziemlich viel um den Tod. So etwas merke ich dann aber auch immer erst hinterher. Ich weiß nicht, warum. Es gab, glaub ich, keinen konkreten Anlass dafür.
Was Du beschreibst ist erstmal eine sehr handwerkliche Herangehensweise. Wo setzt die Kreativität ein?
Konstantin: Es ist ja dann doch keine wissenschaftliche Arbeit. Es ist Kunst. Und deshalb kann ich auch machen was ich will mit den Zitaten. Die kann ich aneinanderreihen, wie ich will; so, dass es für mich Sinn ergibt. Letztendlich will ich ja etwas damit sagen. Ich sammle die Zitate nicht, weil ich denke: Die klingen gut. Sondern weil sie für mich einen Sinn ergeben. Und dadurch, dass ich sie neu collagiere ergeben sie vielleicht einen anderen Sinn.
Möchtest Du, dass das enträtselt wird? Oder darf es einfach so stehen, wie es eben klingt?
Konstantin: Ich benutze eine sehr bildhafte Sprache. Der große Vorteil davon ist, dass jeder selbst was daraus machen kann. Das finde ich als Hörer auch besser. Ich will dann nicht immer ganz so genau wissen, was gemeint ist.
Verena: Deswegen verbinden ja Menschen mit bestimmten Songs irgendwas. Weil sie sich davon angesprochen fühlen. Da ist dann vielleicht weniger wichtig, wie es ursprünglich gemeint war.
Konstantin: Ist auch teilweise interessant, was die Leute rauslesen. Das kann sehr weit weg sein von dem, was ich ursprünglich beim Schreiben gedacht habe. Aber es ist ja eigentlich schön, wenn es trotzdem funktioniert.
Das Interview führte Christina Deinsberger