Das Filmfestival Mannheim-Heidelberg bietet Filme für jeden Geschmack. Ein Wegweiser
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Meister Frosch
Meister Frosch Sita liebt Tiere über alles. Besonders interessiert sie sich für Frösche. Als das junge Mädchen ihr aktuelles Lieblingstier jedoch vor ihrer Klasse vorstellt, beginnt ihr Lehrer sich seltsam zu verhalten. Schnell wird klar, er hat ein großes Geheimnis: Er verwandelt sich in einen Frosch, wenn er an die grünen Amphibien denkt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, taucht ein neuer Rektor an der Schule auf: Herr Storch. Der Name ist Programm und dem sympathischen Lehrer steht plötzlich sein natürlicher Feind gegenüber. Sita und ihre Mitschüler unterstützen ihren Lehrer tatkräftig dabei, sich gegen den Rektor zu wehren, wobei es zu vielen lustigen Szenen kommt.
Doch der erwachsene Zuschauer wird auch nachdenklich. Denn die kleine Sita muss oft die Verantwortung für die Erwachsenen in ihrer Umgebung übernehmen. Sei es für ihren Lehrer oder ihre chaotische Mutter. Die Einsamkeit des Mädchens wird beim Anschauen spürbar. Die schönen Bilder von Natur und Tieren lassen jedoch auch eine heitere Stimmung aufkommen. Damit ist der Film etwas für alle, die sich ein kurze Auszeit vom Erwachsensein gönnen möchten. Der kleine Abstecher in eine Welt, in der klar ist, wer der Böse ist und wie man ihn besiegt, tut auch den Erwachsenen gut.
Von Esther Lehnardt
Nächste Vorstellung: 16.11., MA [/box]
[box type=“shadow“ ]Love and Other Catastrophes
Mechaniker Frederick fällt aus allen Wolken, als ihm seine 40-jährige Ehefrau Rosa gesteht, dass sie schwanger ist. Er hatte die Familienplanung eigentlich für abgeschlossen gehalten. Er überredet sie zu einer Abtreibung. Doch es kommt noch schlimmer. Sonja, seine heimliche Geliebte, ist ebenfalls schwanger. Was er nicht weiß: Rosa ist Sonjas Therapeutin und rät ihr, das Baby zu behalten. Es dauert eine Weile, bis die Frauen erkennen, dass sie beide mit Frederick zusammen sind. Rosa fordert die Scheidung und zieht aus dem gemeinsamen Haus aus.
„Love and Other Catastrophes“ zeigt, wie das Paar mit der Situation umgeht. Lacher provoziert der Film vor allem durch Situationskomik und witzige Dialoge („Du bist 16, du trägst noch T-Shirts, da hat man noch keine Ahnung“). Trotz der bekannten Thematik ist der Film originell und überraschend. Vor allem überzeugt das unaufgeregte Schauspiel der Hauptdarstellenden. Die Figuren sind authentisch.
Unpoetisch wird von ihren Gefühlen erzählt. Auch die lange explizite Sexszene in der Mitte des Films weist wenig Romantik auf. „Love and Other Catastrophes“ ist eine gelungene Mischung aus Drama und Komödie mit einem positiven, lebensnahen Ende.
Von Hannah Lena Puschnig
Nächste Vorstellung: 16.11., MA [/box]
[box type=“shadow“ ]The Distinguished Citizen
Der frisch gekürte Literaturnobelpreisträger nimmt den Preis nur widerwillig an. In seiner Rede erklärt Daniel Montovani, die Auszeichnung zeige, dass sein Werk zu angenehm sei und zu wenig verstöre – was dem Kunstwerk wiederum seine Daseinsberechtigung nehme. Der in Spanien lebende Schriftsteller wehrt sich vehement gegen den Ruhm, der ihm entgegenschlägt. Die einzige Einladung, der er nachkommt, ist die aus seinem argentinischen Heimatdorf Salas. Obwohl all seine Erzählungen an diesem Ort spielen, ist er seit 40 Jahren nicht dort gewesen. Nun kehrt er zurück und die Begegnungen mit den Menschen lassen Unterschiede hervortreten: Sie, die Dagebliebenen, stehen staunend da, während er, der Kosmopolit, sich durch das Dorf bewegt. Für die argentinischen Dorfbewohner sind seine Figuren Fiktion gewordene Wirklichkeit, für ihn Wirklichkeit gewordene Fiktion. „Es ist egal, was der Künstler wollte“, so Daniel. Es komme allein darauf an, was das Kunstwerk im Menschen auslöse. Dieser Film löst eine Menge aus. Er ist mal witzig-unterhaltend, mal ironisch-verstörend und immer fragend. Wie ist ein Schriftsteller? Was ist die Bedeutung von Kunst? Gibt es überhaupt so etwas wie Realität? The Distinguished Citizen gibt ein paar Antworten – letztendlich liegt es aber an den Zuschauenden, sie zu finden.
Von Anna Maria Stock
Nächste Vorstellung: 20.11., HD [/box]
[box type=“shadow“ ]Road to Istanbul
Elisabeth und ihre 18-jährige Tochter Elodie leben abgeschieden an einem See in Belgien. Die Beziehung der beiden scheint konfliktreich zu sein, doch davon bekommt der Zuschauer nur Eindrücke. Elodie filmt heimlich ein Video, in dem sie von ihrer Konversion zum Islam berichtet. Als die Tochter verschwindet, weiß der Zuschauer somit zunächst mehr als die Mutter.
Ab dem Zeitpunkt, an dem Elisabeth von der Polizei erfährt, dass ihre Tochter in der Türkei ist und plant, in Syrien auf der Seite der Islamisten zu kämpfen, wird die Geschichte aus der Perspektive der Mutter erzählt. Man wartet mit ihr auf Lebenszeichen der Tochter und schaut zu, wie sie versucht, ihren Alltag zu bewältigen. Schließlich beschließt sie, in die Türkei zu reisen, um Elodie zurückzuholen. Die Mimik und Körpersprache der Hauptdarstellerin Astrid Whettnall sowie die ästhetisch gefilmten Aufnahmen der Landschaften in Belgien und der Türkei tragen die Narration hauptsächlich. Auf die größeren Zusammenhänge des Syrienkonflikts geht der Film nur am Rande ein. Der Fokus liegt auf der Reise von Elisabeth und weniger auf den Beweggründen der Tochter. Am Ende stellt sich die Frage, ob der physische Weg zu Elodie vielleicht der einfache Teil war.
Von Lara Jimenez Torres
Nächste Vorstellung: 20.11., HD [/box]
[box type=“shadow“ ]Mara’akame’s Dream
Was tun, wenn man an einem Ort aufwächst, an dem man sich eigentlich nicht heimisch fühlt? Für den jungen Huichol-Indianer Niereme ist das keine einfache Situation. Statt sich den Stammesritualen zu widmen, möchte der Sohn eines Schamanen viel lieber mit seiner Band auf der Bühne stehen – in Mexico City, wo das Leben pulsiert und die „Halbblut-Frauen“, wie sie vom Stamm genannt werden, mit ihren Reizen locken. Diesen Gegensatz von ritueller Naturnähe und urbanem Treiben arbeitet der Film in starken Szenen heraus: Etwa, wenn sich Niereme auf Anordnung des Vaters einen Wolf (aus Holz) schnitzt und so seinen Auftritt verpasst. Zwar verschlägt es den Jungen bald in die Stadt, doch dort erwarten ihn Kriminalität und Prostitution. Der Film illustriert die von Gegensätzen geprägte Vater-Sohn-Beziehung detailliert, bleibt in diesem Dualismus jedoch ein wenig vorhersehbar und verpasst es, beim Zuschauer jene tiefergehenden Emotionen zu evozieren, die der Stoff zweifellos hergeben würde. Ein Grund hierfür ist die etwas unausbalancierte Komposition von Schicksalen und Konflikten – etwa der Sorge einer Prostituierten um ihren Sohn oder dem Kampf der Indianer um ihr Land –, denen der Film in seinem bedächtigen Erzähltempo nicht in alle Facetten hinein nachspüren kann.
Von Jesper Klein
Nächste Vorstellung: 20.11., HD [/box]
[box type=“shadow“ ]Lost in Armenia
Eigentlich will der französische Schauspieler Bolzec nur zurück zu seiner Frau nach Paris. Doch als sein Taxi auf dem Weg zum Flughafen liegenbliebt und der Fahrer türmt, führt ihn der Weg notgedrungen in die armenische Provinz. Kein Handyempfang, kein Strom und niemand, der den Franzosen versteht. Verständigungsprobleme sind bei weitem kein neues humoristisches Element auf der Kinoleinwand; in „Lost in Armenia“ sind sie Herzstück für den urkomischen Charakter des Films. Da die armenische Dorfbevölkerung nur spärlich untertitelt wird, stellt sich der Zuschauer oftmals dieselben Fragen wie Bolzec: Warum verehrt ihn die Dorfbevölkerung wie einen Heiligen? Welche Rolle spielt dabei die Stadt Grenoble, auf welche die Armenier immer wieder verweisen? In diesem Verwirrspiel erlebt der Zuschauer herrliche Momente ironischer Situationskomik. Und während die Dorfbewohner von allen Seiten an Bolzec zerren, ihrem unfreiwilligen Gast auf höchst charmante und einfallsreiche Art das Geld aus der Tasche ziehen und ihn ihre Stromrechnungen begleichen lassen, fühlt sich Bolzec in der fremden, aber durchaus gefährlichen Welt zunehmend wohler. Denn im Hintergrund des frischen und befreiten Humors ist der brisante Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan stets unterschwellig präsent.
Von Jesper Klein
Nächste Vorstellung: 20.11., HD [/box]