Das interaktive Theaterstück „In deinem Pelz“ im ehemaligen Frauengefängnis gibt dem Zuschauer für eine Stunde das Gefühl von Freiheitsberaubung und Isolation.
Michel Foucault meinte, das Gefängnis sei sowohl Freiheitsberaubung als auch Apparat zur Umformung von Individuen.
Dazu hat die Gruppe „Raum + Zeit“, bestehend aus Dramaturgin Alexandra Althof und Regisseur Bernhard Mikeska, ihre Installation „In deinem Pelz“ in einer ehemaligen Strafanstalt inszeniert. Diese liegt unweit vom Universitätsplatz in der Straße „Oberer Fauler Pelz“ und hat seit Ende 2015 als solche ausgedient.
Die Abgabe von Uhr und Mobiltelefon am Anfang schafft ein subjektives Zeitgefühl. Von Schließerinnen wird man durch das Gefängnis in einen Trakt mit den vier Zellen geführt, in denen sich der Höhepunkt der Vorstellung abspielt. Die erste Schließerin erscheint: sie trägt wie die anderen schwarze Gummistiefel, die genau dort anfangen, wo ihre Uniform aufhört. Die Uniform ist ein klinisch weißes, bis zum Hals hochgeschlossenes Kleid, der Blick streng wie der geflochtene Zopf. Ein strenger Blick zwischen einem und dem aufgedrehten Wasserhahn macht zu Beginn klar, wo man in der Hierarchie steht. Die Schließerinnen reden nie, denn Befohlen wird mit Blicken. Während die zuvor desinfizierten Hände einen klinischen Geruch verströmen, laufen die Schließerinnen stets im Toten Winkel dicht hinter einem, sodass man sie nie sieht, nur spürt. Alles an dieser Atmosphäre schreit nach Psychiatrie in einem Gefängnis. Das Gefühl des Gefangenseins und der Ungewissheit erfährt man spätestens, wenn man im Hof, umzäunt von hohen Mauern mit Stacheldraht, bei Kälte alleine ausgesperrt ist oder in der ersten vollkommen leeren, 8,5 Quadratmeter kleinen Zelle steht.
In der zweiten Zelle sitzt man auf einem Stuhl, der zur Wand hin positioniert ist. Aus Kopfhörern ertönen intensiv Atemgeräusche, ein Aufschnappen, Schritte, nah und fern, das Öffnen und Schließen von Türen. Toilette, Wasserhahn und Waschbecken geben Geräusche von sich, als wäre man nicht allein. Der Klang ist so authentisch, dass er fast nicht vom tatsächlichen Türenschlagen und den Schritten außerhalb der Zelle getrennt werden kann.
Der dritte Raum stellt eine bewohnte Zelle in rot-gelb dämmerndem Licht dar. Der Platz genügt für ein kleines, nicht gemachtes Bett an der Wand neben dem Waschbecken, einen Schreibtisch und einen Stuhl, über dem ein beiger Rollkragenpulli hängt. Zahnbürste und Zahnpasta liegen auf dem Waschbecken. Hier ist man für eine unbestimmte Zeit ganz seinen Gedanken überlassen.
Die letzte Zelle birgt dieselbe Szenerie. Der erste Blick fällt auf die Insassin am Tisch. Sobald die Tür verschlossen wird, ist man mit ihr allein im kleinen Raum und erlebt den Höhepunkt der Vorstellung. Die Insassin kommt näher, während sie mit einem spricht. „Was tust du hier? Vermisst dich denn keiner? Bist du ein wildes Tier?“ Ob es beim Monolog bleibt oder ob man sich als Teil der Inszenierung in einen Dialog hineinziehen lässt, kann man individuell entscheiden. An Blickkontakt wird es in dieser einen Stunde nicht mangeln. Die Zellengenossin hält ihren Vortrag kaum mehr als einen Zentimeter vom eigenen Gesicht entfernt. Zuletzt wird man nichtsahnend in einen in der Dunkelheit leuchtenden Container im Hof geschickt. Drinnen steht ein Fernseher und über den Bildschirm flackert eine Überwachungsaufnahme von einem selbst aus der ersten Zelle.
Durch den geschickten Einsatz von Wahrnehmungstäuschung wird die Installation besonders. Die Dramaturgin und der Regisseur nehmen dem Zuschauer Zeit und Raum als Wirklichkeitsanker. Unsicherheit über Wahrheit und Imagination schwebt über dem Stück. Dies gelingt, weil man allein immer maximal mit zwei der insgesamt 28 Schauspieler und Statistinnen zusammen ist. Zuschauender ist man nicht, eher Teil der Vorstellung. Nachdenklich macht diese Inszenierung auf alle Fälle. Über einen selbst, die Bedeutung von Freiheitsberaubung und diese als akzeptierte Bestrafungsform in der Gesellschaft.
Von Phuong-Ha Nguyen