Sie sind Hebamme und Lehrerin für Hebammenschülerinnen. Wie ist es, dem Leben auf den Weg zu helfen?
Es ist sehr schön, berührend und beeindruckend. Man sieht, was eine Frau schaffen kann. Interessant ist vor allem, dass man eine Geburt nicht wirklich kontrollieren kann. Die Beteiligten müssen sich auf den Prozess einlassen und mit dem Lebensfluss mitschwimmen. Es ist faszinierend, was man schaffen kann, wenn man die Kontrolle abgibt und sich auf das Leben einlässt. Das hat mich auch jenseits meines Berufes in meinem Privatleben sehr geprägt.
Sie bieten auch Supervision in der Trauerarbeit an. Wie passt das mit dem Beruf als Hebamme zusammen?
Zunächst mal habe ich festgestellt, dass Supervision eigentlich auch Hebammenarbeit ist. Unterstützend können die Menschen mit sich selber in Resonanz kommen, sich auf sich selber einlassen und auf das, was da kommt. Was die Trauerarbeit angeht, kann ich sagen, dass Sterbeprozesse und Geburtsprozesse viele Parallelen haben. Beides sind sehr intensive Prozesse: Meine Einstellung, meine Haltung zum Leben beeinflussen diese Prozesse.
Zu Trauerarbeit gehört als Hebamme auch Eltern zu begleiten, die ein Kind schon sehr früh verlieren. Wie erleben Sie diese Begleitung?
Wenn Eltern ein Kind bei der Geburt oder schon im Mutterleib verlieren, sterben auch immer Wünsche und Visionen mit. Das ist sehr dramatisch. Seit es die Pränataldiagnostik gibt, stehen viele auch vor der Frage: Verabschiede ich mich von meinem Kind? Das trifft einen Lebensnerv und zentrale Fragen des Lebens. Als Begleiterin darf ich an diesen wichtigen Prozessen teilnehmen und für mich vieles lernen. Es rüttelt auf.
Sehen Sie Gemeinsamkeiten am Anfang und am Ende des Lebens oder ist das etwas Grundverschiedenes?
Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Gemeinsam ist beidem das Alleinsein, außerdem eine große Ungewissheit. Man muss bei beidem den Mut haben, einen ungewissen Schritt zu wagen. Beides ist ein Abenteuer. Der Unterschied ist die Richtung. Bei der Geburt geht es zum Leben hin, beim Sterben daraus heraus. Darüber hinaus gibt es bei einer Geburt ein greifbares Ergebnis. Beim Tod ist das anders.
Wie hat ihre Arbeit ihre Einstellung zum Tod und auch zum Leben geprägt?
Es hat mich sehr geprägt. Ich habe dadurch gemerkt, was für mich wirklich wichtig ist im Leben. Das holt mich in die Realität zurück. Gerade wenn es um den Umgang mit meiner Familie oder Arbeitssituationen geht. Ich habe da gelernt, meiner Intuition zu vertrauen und manche Dinge oder Wege einfach zu wagen.
Das Gespräch führte Esther Lehnardt.