Mit dem Assassin’s Creed Film schafft es ein weiterer Spielklassiker auf die Leinwand.
Die spektakulären Actionszenen machen die offensichtlichen Schwächen jedoch nicht wett
Vor beinahe zehn Jahren erschien das erste Spiel der „Assassin’s Creed“-Reihe. Nun hat der Regisseur Justin Kurzel die Geschichte um die Attentäter und ihre Gegenspieler auf die Leinwand gebracht. Das Ergebnis ist ein actionreicher Film mit fantastischen Bildern und Landschaftsaufnahmen, nur leider ohne jede nachvollziehbare Handlung.
Entgegen der Erwartung vieler Fans griffen die Drehbuchautoren bei der filmischen Umsetzung der Vorlage nicht auf einen der bekannten Protagonisten aus den mittlerweile elf Assassin’s Creed Spielen zurück. Stattdessen führen sie mit Callum Lynch (Michael Fassbender) einen ganz neuen Charakter ein.
Dieser erwacht nach dem vermeintlichen Vollzug seiner Todesstrafe in einem futuristischen Labor der geheimen Organisation Abstrego Industries. Das Unternehmen, geleitet von Alan Rikken (Jeremy Irons), hat sich das Ziel gesetzt den genetischen Schlüssel des freien Willens zu finden, um diesen ausschalten zu können. Dieser Schlüssel soll sich in einem uralten Artefakt befinden, das von den Mitgliedern der Bruderschaft der Assassinen vor hunderten von Jahren vor ihren Gegenspielern, den Templern, versteckt wurde. Mit Hilfe der revolutionären Technologie des Animus, einer Maschine, die die Erinnerungen von Vorfahren aus der DNA rekonstruieren kann, wollen Alan Rikken und seine Tochter Sophia (Marion Cotillard) herausfinden, wo das Artefakt versteckt ist.
Im Animus durchlebt Callum bald Szenen aus dem Leben seines Vorfahren Aguilar de Nerha, eines Assassinen der im 15. Jahrhundert zur Zeit der spanischen Inquisition lebte. Er durchlebt die Ausbildung zum todbringenden Assassinen, springt über die Dächer Sevillas und lernt den Umgang mit der Geheimwaffe der Attentäter.
Die Produzenten wollen letztlich ein rentables Produkt
Mit bildgewaltigen Szenen, inklusive Verbrennung von Ketzern auf dem Scheiterhaufen, werden die Zuschauer gemeinsam mit dem Protagonisten in die Umgebung der spanischen Inquisition hineingezogen. Dabei sind vor allem die langen Kamerafahrten über die Städte und Landschaften sehr gelungen. Diese kennen Fans der Reihe bereits aus den Spielen. Auch die Kampf- und Fluchtszenen, die parcourartig über die Dächer verlaufen, sind Spielern wohl bekannt und gut umgesetzt.
Dennoch geht, ähnlich wie bei anderen Spieleverfilmungen, die Übersetzung des vorgegeben Materials in das Medium Film gründlich schief. Dass die Verfilmungen selten gelingen, erscheint auf den ersten Blick unverständlich. Denn prinzipiell teilen Videospiele und populäre Filme viele oberflächliche Gemeinsamkeiten: Heroische Protagonisten, Gewalt und fantastische Elemente. Aber jenseits davon unterscheiden sie sich fundamental. Während der Zuschauer bei Filmen nur zusieht, haben die Videospiele ein interaktives Element. Schon im simpelsten Ego-Shooter kann man sich entscheiden, ob man an einer Weggabelung nach links oder rechts geht. In anderen Spielen führen die Entscheidungen zu unterschiedlichen Enden der erzählten Geschichten. Auch die weiten Spielewelten mancher Titel können frei erkundet werden. In den Assassin`s Creed Spielen kann man beispielsweise nach Lust und Laune die ganze Karibik befahren oder durch das Florenz der Renaissance streifen. Die Kinobesucher haben jedoch, überspitzt gesagt, nur die Wahl, ob sie jetzt oder später aus dem Kino gehen. Eine Übersetzung des Spielerlebnisses kann daher nur oberflächlich bleiben.
Dennoch muss man sagen: Videospiele sind schwer zu verfilmen. Denn die Handlungen der Spiele dauern nicht selten mehrere Tage reiner Spielzeit. Gerade bei Rollenspielen lässt sich die Handlung theoretisch ewig fortsetzen und auch Spiele mit einer abgeschlossenen Handlung bieten zahlreiche Nebenmissionen. Der Regisseur muss also stark kürzen oder das Ergebnis ist ein unverständliches Konvult.
Die Übersetzung auf die Leinwand gelingt nicht
Auch der Assassin’s Creed Film lässt eine sinnvolle Handlung vermissen. Zahlreiche Zeitsprünge zu Beginn und kryptisch wirkende Erklärungen verwirren den Zuschauer. Die eindimensionalen Charaktere tragen ebenfalls wenig zum Verständnis der Geschichte bei Fans der Spiele stellen hohe Ansprüche an diese, da sie sich mit der Hauptfigur und dem Franchise selbst identifizieren. Die großen Videospiele sind immer auch Rollenspiele: Die Spieler versetzen sich mit ihren Avataren in die Spielwelt beziehungsweise stellen einen Charakter dar. Gerade die enge Verbindung mit den Figuren macht ein Teil der Faszination für gute Spiele aus. Den gut ausgestalteten Figuren der Assassin’s Creed Spiele wird im Film aber in keiner Weise Rechnung getragen. Sinnlos wirkende Dialoge und unmotivierte Handlungssprünge lassen die Figuren langweilig erscheinen. Callum wird nie wirklich zum Mann aus Fleisch und Blut. Seine Gründe, sich am Ende der Bruderschaft der Assassinen, die er zu Beginn ablehnt, anzuschließen, bleiben unklar.
Bei der Übertragung des Stoffes auf die Leinwand schleichen sich nicht zuletzt auch logische Fehler ein. Während im ganzen Film das Kredo der Assassinen „Wir arbeiten im Dunklen, um dem Licht zu dienen“ immer wieder zitiert wird, liegt das Hauptaugenmerk doch auf spektakulären Kampfszenen und Verfolgungsjagten. Dieser Versuch, ein zentrales Motiv der Spiele zu übertragen, hat wenig mit den leisen Attentaten gemeinsam.
Letzten Endes liegt die schlechte Umsetzung auch an der Motivation der Produzenten. Ihnen geht es darum, ein rentables Produkt zu entwerfen. Die meisten Franchises haben eine loyale bis fanatische Fangemeinde, die aber immer noch recht klein ist. Das Genre ist folglich nicht so einträglich wie andere. Die genaue Umsetzung der Vorlage kostet Mühe und bringt weniger ein als ein actiongeladener Film mit spektakulären Bildern.
Letztlich ist der lang erwartete und offensiv beworbene Film wie viele Spieleverfilmungen eine Aneinanderreihung von Actionszenen und Effekten. Damit wird er der Vorlage nicht gerecht und ist ein kalkulierter, seelenloser Actionfilm, der auf wirtschaftlichen Erfolg abzielt.
Sollte der Film das erwartete Geld einspielen, ist eine Fortsetzung wohl unvermeidlich.
Von Esther Lehnardt und Michael Pfister