Wir gelten bundesweit als Vorreiter in Sachen Bürgerbeteiligungen. Wie können sich Bewohner in städtische Projekte einbringen?
Im September wurde die Stadt Heidelberg von der Stiftung Mitarbeit mit dem erstmals vergebenen Preis „Bürgerbeteiligung schafft Zukunft“ ausgezeichnet.
Damit gilt die Stadt als Pionier für interaktive Kommunalpolitik in Deutschland. Jeder Bürger kann sich bei der Konzeptentwicklung eines Projektes einbringen und seine Ideen und Kritikpunkte äußern. Je nach Fragestellung bieten Arbeitsgruppen, Bürgerversammlungen, Bürgerforen und ähnliche Formate Raum dafür.
In Zukunft sollen zudem verstärkt modernere Kommunikationsmedien wie Whatsapp miteinbezogen werden, erzählt Elke Bayer, Mitglied im städtischen Koordinationsbeirat. Eine Möglichkeit sich zu Projekten oder kommenden Veranstaltungen zu informieren, bietet die Vorhabensliste auf der Homepage der Stadt. Dort kann man sich die Projekte zum Beispiel nach Stadtteil oder Interessensgebiet sortiert anzeigen lassen und den bisherigen Stand abrufen. Damit haben wir die Chance, die Entwicklung der Stadt ein bisschen mitzulenken. Je nach Interessenslage und Betroffenheit kann sich jeder selber einbringen und konstruktiv beschweren. In deinem Block soll gebaut werden? Guck mal bei Bauen/Wohnen. Du kommst immer zu spät und hast Verbesserungsvorschläge zur Verkehrsplanung der Stadt? Guck mal bei Mobilität/Verkehr. Du willst lieber deine Gedanken zu etwas Sozialem oder Umweltbezogenem äußern oder – und so weiter.
Selbst Ideen anbringen ist natürlich auch möglich. Ein Projekt zu unterbinden, ist allerdings in der Regel nicht erlaubt. Das letzte Wort hat immer der Gemeinderat. Ein Vetorecht nach der endgültigen Entscheidung gibt es auch nur dann, wenn es rechtlich begründet ist. Das Prinzip ist mehr auf Kommunikation und Diskussion im Gestaltungsprozess ausgelegt. Gerade in einer Studentenstadt freuen sich die Mitglieder der Versammlungen auf die Teilhabe von Studenten. „Ein frischer, anderer Blick ist immer gut“, so Lisa Güterich vom Amt für Öffentlichkeitsarbeit.
Die hier abgebildeten Projekte stehen beispielhaft für Konzepte, für welche eine Bürgerbeteiligung derzeit ausgearbeitet wird oder im Falle der Konversion bereits besteht. Die bisherigen Protokolle, Ziele und alle verfügbaren Dokumente sind online einsehbar.
Hier findet ihr den Link zur Heidelberger Vorhabenliste.
Verkehrsorganisation in der Altstadt
In den Altstadtstraßen zwischen der B37, der Friedrich-Ebert-Anlage und der Sofienstraße soll etwas an der Verkehrsorganisation verändert werden. Gerade die Verbesserung der Verkehrssituation spielt eine große Rolle. Als Probleme werden vor allem die Geschwindigkeitsüberschreitungen und die schlechte Überschaubarkeit vieler Abschnitte genannt. Das „Chaos um die Verkehrsbibliothek“ wird in der Beschlussvorlage sogar an zweiter Stelle genannt. Der Platz für die dagegenwirkenden Maßnahmen ist noch leer. Das ist zum einen interessant für diejenigen, die oft dort verqueren. Also gewissermaßen alle, die sich ihren Weg in die Bibliothek bahnen, um für die Klausuren zu lernen. Zum anderen aber auch für diejenigen, die Stadt- und Verkehrsplanung allgemein interessiert, die allerdings nicht gleich ein mehrwöchiges Praktikum absolvieren möchten. Sollte man sogar etwas in die Richtung studieren, hätte man hiermit die Möglichkeit, das Lehrwissen im Diskurs zu teilen.
„Stadt an den Fluss“
Schon seit einigen Jahren ist die Nutzung des Neckarufers ein immer wieder aktuelles Thema zur Bürgerbeteiligung. Mit dem Projekt „Stadt an den Fluss“ hatte der Heidelberger Gemeinderat mithilfe von gesammelten Ideen, die während des letzten Jahres eingereicht werden konnten, Projekte und Aktionen zur Gestaltung des Neckars gesammelt. Neu ist dabei, dass nicht nur die alten, von den meisten Studenten sowieso bekannten Ecken des Ufers in der Altstadt oder in Bergheim einbezogen werden sollen, sondern auch weniger bekannte Abschnitte des Neckars. Ab Anfang 2017 sollen die besten Projekte zur Abstimmung veröffentlicht und dann bereits 2018 umgesetzt werden. Ein Blick auf die neuen Projekte lohnt sich deshalb besonders für jeden Studenten, der in den kommenden Sommersemestern ein paar neue Attraktionen am Neckar erleben will. Schon seit November vergangenen Jahres gibt es die sogenannten „Neckarorte“ zu entdecken; eine Art Outdoor-Wohnzimmer am Iqbalufer, zwischen Bismarckplatz und Ernst-Walz-Brücke.
Konversionsflächen
Die ehemals militärisch genutzten Flächen in Heidelberg sollen zur zivilen Nutzung umfunktioniert werden. Die Leitlinien und das daraus folgende Konzept wurden bürgerbegleitend ausformuliert. Mittlerweile befindet sich das Vorhaben in Phase 3. In der ersten Phase (2011) wurden Ideen, Wünsche und Bedürfnisse der Bürger gesammelt und diskutiert. Wo werden die Menschen wohnen, wo entstehen Freizeitplätze oder Parks? Es sollten Bäume gepflanzt und lärmresistente Räume zum Feiern geschaffen werden. Gibt es Parkplätze? Fragen und Anmerkungen wie diese wurden geäußert und protokolliert. Im darauffolgenden Schritt im Jahr 2012 ging es um die Zusammenführung der verschiedenen Aspekte auf die konkreten Standorte: Patrick Henry Village, Airfield, Campbell Barracks, Mark Twain Village, Patton Barracks, Hospital. Seit 2014 arbeitet man an der Umsetzung, wobei die aktive Teilnahme nach wie vor möglich und gewünscht ist. Das „Bürgerforum Südstadt“ trifft sich dafür am 7. Februar diesen Jahres. Der „Entwicklungsbeirat Konversion“ hält am 15. Februar zudem eine öffentliche Sitzung. Noch letzte Anmerkungen? Dann bietet sich jetzt die Gelegenheit.
Christina Holewik und Isabella von Kempski