An der Uni Bristol ist jeder Zweite Mitglied in einer der zahlreichen Hochschulgruppen. Denn neben der Unipolitik organisieren diese auch den größten Teil der Freizeitangebote
Ein warmer Tag im September,kurz vor dem britischen Semesterbeginn. In einem Park am Stadtrand von Bristol im Südwesten Englands strömen tausende junger Menschen auf die Ersti-Messe der hiesigen Universität. Es herrscht Festivalatmosphäre, in einem großen Zelt präsentieren sich die Hochschulgruppen der Uni.
Was sofort auffällt, ist die schiere Zahl der Stände, die sich in mehreren Reihen durch das Zelt ziehen. Laut offiziellen Zahlen gibt es in Bristol rund 330 Hochschulgruppen, und die meisten davon werben hier um neue Mitglieder. „Rund die Hälfte der 20 000 Studierenden hier sind Mitglied in mindestens einer Hochschulgruppe“, erklärt Jamie Cross von der Students Union. Die dortigen Studierendenvertreter sind unter anderem für die Organisation der Hochschulgruppen zuständig, die unter diesem Dach alle offiziellen Charakter haben und von einem speziellen Gremium zuge-
lassen wurden.
Ein großer Teil dieser „Societies“ dreht sich naturgemäß um Sport in allen Facetten – von den britischen Klassikern Rudern, Rugby, Hockey und Fußball bis hin zu eher außergewöhnlichen Kampfsportarten oder auch Quidditch. Teilweise stellen die Gruppen hoch ambitionierte Auswahlmannschaften für nationale Ligen auf. Das gilt gerade auch für Quidditch – die „Brizzlepuffs“ sind Gründer einer eigenen Liga, spielen auf Europaniveau und erhalten dafür viel öffentliche Aufmerksamkeit. Politische und soziale Hochschulgruppen, wie sie auch an deutschen Unis anzutreffen sind, gibt es zuhauf. „Es gibt viele Nachhaltigkeitsgruppen hier – das ist nicht zuletzt relevant, weil Bristol letztes Jahr europäische Umwelthauptstadt war“, so Jamie Cross.
Neben diesen klassischen Hochschulgruppen zeigt sich jedoch, dass deren Vielfalt wesentlich größer ist, als man als Kontinentaleuropäer vielleicht erwarten würde. Passende Gruppen für fast jedes erdenkliche Hobby, jeden Musikgeschmack und zahlreiche bekannte Erscheinungen der Popkultur (Stichwort Disney, Pokémon oder Tolkien) bieten entsprechende Aktivitäten an und machen es einfach, Gleichgesinnte zu treffen.Selbst ein „Zombie Apocalypse Network“ oder eine „Massage Society“ gelten dabei kaum als kurios und ziehen auf der Messe großes Interesse auf sich.
Die Mitgliedschaft in den meisten Gruppen ist dabei nicht gratis – die Mitgliedsbeiträge für ein Jahr schwanken von wenigen Pfund bis hin zu etwa hundert für einen Sportpass. Oft sind damit jedoch auch Vorteile verbunden. Mitglieder der „Photography Society“ haben Zugang zur eigenen Dunkelkammer, während Musikgruppen teils Instrumente zur Verfügung stellen. Eine lokale Besonderheit ist die Möglichkeit, mit der entsprechenden Mitgliedschaft vergünstigte Fahrten mit dem Heißluftballon machen zu können – eine lange Tradition in Bristol, das alljährlich Schauplatz eines großen Ballonfestivals ist.
In den letzten drei Jahren haben die „Societies“ in Bristol einen regelrechten Boom erfahren. Ihre Zahl ist um mehr als ein Drittel gestiegen, was nicht nur mit den wachsenden Studierendenzahlen zu erklären ist. Die Gruppen scheinen einen besonderen Platz im studentischen Leben der Stadt zu haben. Das bestätigt auch Jamie Cross: „Die Societies spielen eine sehr positive Rolle dabei, dass sich Studierende an der Universität wohlfühlen. Sie helfen uns dabei, Freunde zu finden, unsere Interessen zu verfolgen, uns fit und gesund zu halten und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
Von Simon Koenigsdorff
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