Kris Bauer & the electro acoustic orchestra beginnen am Donnerstag, den 02. März 2017, eine neue Konzertreihe im Cave54. Im Gespräch erzählt Kris Bauer von seiner Musik, Fremdbestimmung und einem Leben frei von Zwängen
Welche Musik erwartet uns bei Konzerten von Kris Bauer & the electro acoustic orchestra?
Kris Bauer: Man kann sich zunächst eine Ouvertüre vorstellen, es werden also Riffs und Melodien von mir auf der akustischen Gitarre gespielt, dann entwickelt sich die Sinfonie. Nach und nach werden die Motive erneut aufgegriffen und variiert. Sie tauchen im Kontext mit Schlagzeug, Saxofon oder mit Gesang nochmal auf, sodass unsere Kompositionen gerne mal 20 Minuten dauern können. Alles endet mit einem großen Finale, in dem alle Bandmitglieder spielen – die Stammbesetzung besteht aus einer Sopranistin, einer Rock-/ Popsängerin, einem Saxophonisten und aus Alfred Feijoa und mir an den akustischen Gitarren.
Ihr möchtet an drei Abenden die Kompositionen aus deinem ersten Album „electro acoustic sinfonie“ vorstellen. Wie werden sich die einzelnen Konzerte voneinander unterscheiden?
Bauer: Dadurch dass unsere Sinfonie zwei bis drei Stunden geht, möchte ich an jedem Termin im Cave Auszüge daraus spielen. Beim ersten Termin spielen wir überwiegend die akustischen Parts in der Stammbesetzung. Beim zweiten oder dritten Mal können auch elektronische Beats mit reinkommen, zusammen mit zwei Schlagzeugen wird da richtig losgefeuert. So entwickelt sich jedes Mal eine neue Dramaturgie und es bleibt abwechslungsreich. Der Idealfall ist, wenn die Leute durch die Konzertatmosphäre eine Art Trip haben. Sie sollen am Ende sagen können: Ich weiß nicht, was das war, aber es war total abgefahren!
Ihr spielt auch auf einigen Jazz-Festivals, bleibt denn Platz für Improvisation, wenn ihr im Cave ein fertiges Album präsentiert?
Bauer: Tatsächlich sind circa 20 Prozent des Konzerts frei zur Improvisation. Deshalb sind die Konzerte keine starren Gebilde, sondern wir können spontan auf die Stimmungen im Publikum reagieren, mal einen Refrain doppelt machen oder verschiedene Parts beispielsweise durch Einsatz einer Loop Machine verändern.
Wie kam es zur Verbindung mit dem Cave?
Bauer: Ich war an einem Dienstag zur Jam-Session im Cave und fand das musikalische Niveau, das hier geboten wird, sehr gut. Ich hatte sofort Lust darauf, in diesem Gewölbekeller Konzerte zu machen, und habe mich bei den Jungs vom Cave einfach mal vorgestellt.
Wie kamst du dazu Musiker zu werden?
Bauer: Musik habe ich eigentlich schon immer gemacht, zunächst am Schlagzeug und seit ich 15 Jahre alt war an der Gitarre. 2011 habe ich meinen Job bei der Bank gekündigt, bei der ich bereits mit 17 Jahren angefangen habe zu arbeiten, und bin dann mit einer Gitarre und ein paar Klamotten nach Hamburg gezogen. Dort habe ich keinen Menschen gekannt und komplett bei Null angefangen.
Was hat Dir in deinem alten Leben gefehlt?
Bauer: Die Bank ist nur ein Teil eines standardisierten Lebensmodells: Du gehst in den Kindergarten, gehst zur Schule, musst dies und jenes abliefern, erhältst dann eine Bewertung der Fähigkeiten, die dort zählen – daraufhin setzt du alles darauf Abitur zu machen, danach ein Studium. Und diesem Modell haftet das Versprechen an: Folgst du mir, so wirst du glücklich werden. Dieses Glück soll durch Titel und folglich durch einen gewissen Wohlstand und soziale Anerkennung zustande kommen. Das alleine reicht meiner Erfahrung nach aber nicht aus, um glücklich zu werden.
Wenn dieses Versprechen also nicht gehalten werden kann, wie wird man glücklich?
Bauer: (lacht) Das weiß ich auch nicht! Ich habe aber zumindest den Verdacht, dass der Mensch an den falschen Stellen sucht. Vielleicht geht es darum, in sich hinein zu spüren und sich zu fragen: Bin ich fremdbestimmt, lebe ich bewusst? Arbeite ich für mich? Für den Chef? Für einen neuen Fernseher? Ist das wirklich alles?
Wie unterschiedlich lebst du als freier Musiker im Vergleich zu Deinem Leben als Bankangestellter?
Bauer: Während meiner Zeit bei der Bank war ich nicht sterbensunglücklich, aber ich habe eine starke Fremdbestimmung wahrgenommen. An die Schablone, die mir die Zugehörigkeit zur Bank zugewiesen hat, habe ich dann meinen Lebensentwurf angepasst. Dabei wird eine tiefgehende Leere empfunden, die ich nicht mit Konsum auffüllen konnte. Stattdessen habe ich während all dieser Jahre nebenberuflich bereits Konzerte gegeben und eigene Aufnahmen gemacht. Dabei habe ich mich absolut frei gefühlt. Es war gerade in der Anfangszeit in Hamburg schwierig, denn natürlich hat niemand auf mich gewartet und gesagt: Hey, endlich kommt der Kris Bauer! Ich habe mich eben hochspielen müssen.
Ich denke, es wird uns generell oft das Gefühl gegeben, uns selber zu verwirklichen. Dabei wird uns die begrenzte Wahl zwischen vorgefertigten Modellen als vollumfängliche Individualität verkauft. Daher habe ich auch einige Angebote für Plattenverträge abgelehnt, als mir klar wurde, dass es den Produzenten nicht um die Inhalte meiner Musik ging. Um nicht wieder eine marktoptimierte, fremdbestimmte Marionette zu werden, habe ich mir selber mein eigenes Studio zusammengestellt. Die letzten vier Jahre lang habe ich Tag und Nacht aufgenommen. Seit Anfang des Jahres ist mein Album nun endlich fertig.
Hat deine neugewonnene Freiheit auch Nachteile?
Bauer: Na klar! Mich unterstützt keine riesige Marketingmaschinerie, die uns jetzt ins Radio bringt oder auf den großen Festivals spielen lässt, daher habe ich gesagt, passt auf, wir suchen uns einfach einen coolen Club in einer Stadt wie Heidelberg, fangen da an, und hoffen, dass es sich herumspricht.
Wieso fällt es vielen Menschen schwer, sich für ihre Freiheit zu entscheiden?
Bauer: Gerade zu der jetzigen Zeit scheint die Welt ja unterzugehen, Themen und Ängste gibt es genug. Es wiederholt sich das scheinbar ewige Spiel: Wenige besitzen viel und beuten die vielen aus. Diese Probleme muss man zielstrebig angehen und viel verändern, aber es ist eben nicht der Untergang der Welt.
Wichtig ist, dass ich mich angesichts der bedrohlich wirkenden Komplexität der Welt nicht ohnmächtig fühlen muss. Ich habe stets die Macht zu entscheiden, ob ich mich von Dingen, auf die ich keinen Einfluss habe, frustrieren und deprimieren lasse oder ob ich die Gegebenheiten ändere, auf die ich selber Einfluss üben kann. Sobald ich meine selbstbestimmte Nische gefunden habe, kommt die eigene Authentizität. Man hat mit einer selbstbestimmten Lebenseinstellung einfach eine ganz andere Glaubwürdigkeit und Ausstrahlung. Viele Leute haben jedoch Angst davor, sich wirklich danach zu fragen, was sie selber wollen. Für mich ist die Ohnmacht nur ein Symptom einer Krankheit, die sich in einer Nichtanteilnahme an der Welt und im erzwungenen Verbleiben im Unbewussten ausdrückt.
Wie siehst du diesbezüglich Deine Aufgabe als Musiker?
Bauer: Ich habe nicht die Illusion durch meine Musik oder auch nur durch meine Anwesenheit die Welt zu verändern. Es ist aber immer wichtig, dass es Personen gibt, die ein Gegengewicht bilden. Ich möchte zeigen, dass es auch andere Wege gibt. Aber nicht verbunden mit der Haltung, dass deswegen alles besser wird.
Was erwartest du von Deinem ersten Konzert?
Bauer: Wenn meine Band es schafft, die Besucher dazu einzuladen, ihre aktuellen Ängste und ihren Stress kurzzeitig vergessen zu lassen und sie einfach tatsächlich voll präsent sind, dann habe ich schon so viel erreicht, ohne dass sich in irgendeiner Form die Welt ändern muss. Wenn die Leute durch mich einen schönen sorgenfreien Abend haben, dann ist es doch genau das, worum es geht.
Das Gespräch führte Christopher Tiersch
[box type=“shadow“ ]
KRIS BAUER & the electro acoustic orchestra
jeden ersten Donnerstag im Monat im Cave54, Krämergasse 2
Beginn: Donnerstag 02.03. um 20 Uhr
[/box]