Seit der Finanzkrise von 2008 erlebte Karl Marx` Werk eine Renaissance. Nun hat es der Philosoph und Ökonom auch auf die deutsche Kinoleinwand geschafft
[dropcap]D[/dropcap]er junge Karl Marx ist der Titel des neuen Films von Raoul Peck, der seit dem 2. März in den deutschen Kinos zu sehen ist. Die Handlung spielt zwischen den Jahren 1843 und 1848. Sie beleuchtet die aufkommende Freundschaft zwischen Karl Marx (August Diehl) und Friedrich Engels (Stefan Konarske) und beschreibt deren intellektuellen Werdegang bis hin zur Veröffentlichung des „Kommunistischen Manifests“.
Engels bezeichnet seinen Freund Marx während des Films als den „größten materialistischen Denker seiner Epoche“ und an diesem Punkt zeichnet sich das Problem des Filmes ab. Was Marx bis heute Bedeutung verleiht, sind seine Schriften. Diese filmisch und in einer zugänglichen und im besten Fall unterhaltenden Art und Weise widerzugeben, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit und auch in Pecks neuer Verfilmung nicht gelungen. Marx ist daher eine denkbar schlechte Wahl für den titelgebenden Helden eines Films.
Pecks Ziel beschränkt sich aber nicht nur darauf. Um einen Zugang zu seinem Zuschauer zu finden, will er gleichzeitig auch noch den Menschen hinter diesen philosophischen Werken zeigen. An diesem Spagat scheitert der Film leider gänzlich. Peck versucht dem Kinobesucher, seinen Titelhelden durch dessen von Entbehrungen und Vertreibungen gezeichnetes Leben näher zu bringen. Marx Ideen hingegen will er in Schlüsselszenen und dem Aufeinandertreffen mit anderen Intellektuellen veranschaulichen. Das Ergebnis ist eine unausgewogene Mischung aus Thesenfilm und historischem Drama, wobei dem Film beides nicht recht gelingt.
Marx Werk wird auf einzelne Zitate reduziert. So schallen gewichtig klingende Ausrufe wie „Das Volk sieht die Strafe, aber es sieht nicht das Verbrechen, und weil es die Strafe sieht, wo kein Verbrechen ist, wird es schon darum kein Verbrechen sehen, wo die Strafe ist“ und „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an, sie zu verändern“ durch den Kinosaal, ohne dass diese Zitate in einen weiterführenden Zusammenhang gesetzt werden.
Im Aufeinandertreffen mit anderen intellektuellen Größen seiner Zeit wird Marx dabei stets als der Überlegene gezeigt. So wird der Zuschauer Zeuge wie unser Held andere linke Intellektuelle seiner Zeit wie Proudhon und Weitling hinwegfegt oder große Philosophen wie Hegel auf den Kopf stellt, ohne das näher auf das Wie und Warum eingegangen wird.
Zwar überzeugen die schauspielerischen Leistungen von Diehl und Konarske, aber ihre Figuren durchlaufen bei weitem zu wenig Charakterentwicklung und inneren Konflikt, um einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. So ist Marx von Anfang an der gewitzte, überlegene, leicht draufgängerische Denker mit einem Hang zur Arroganz, ohne dass sich im Laufe des Films etwas Maßgebliches daran ändert. Ähnlich verhält es sich bei Engels.
Jenny Marx (Vicky Krieps) und Mary Burns (Hannah Steele), die Frauen an der Seite unserer Protagonisten, vermitteln ein für die Zeit, in der der Film spielt, ungewöhnlich starkes Frauenbild. Sie sind jedoch viel zu eindimensional gezeichnet und mit zu vielen hölzernen Dialogen gestraft, um wirklich interessant zu sein.
Der in Braun- und Grautönen gehaltene Film, schafft in Kombination mit solider Kamera- und Regiearbeit eine stimmungsvolle Atmosphäre und vermag es, den Zuschauer die Zeit der Industriellen Revolution glaubhaft miterleben zu lassen, sodass zumindest Fans des Kostümfilms ihren Spaß mit „Der junge Karl Marx“ haben können. Kinobesucher, die sich hingegen mit der Gedankenwelt von Karl Marx auseinandersetzen möchten, werden das Kino wohl mit einer gewissen Enttäuschung verlassen.
Fazit: Ein inhomogener Versuch einen großen Denker auf die Kinoleinwand zu bannen, der leider an seinen eigenen Ambitionen scheitert.
Von Matthias Luxenburger