Das fragte sich die Discussion Group letzten Dienstag im Deutsch-Amerikanischen-Institut (DAI). Am Ende war man sich einig: viele, aber nicht alle.
„Die Welt ist so viel kleiner geworden“, stellt eine Teilnehmerin fest. Es geht um technische Erfindungen. Viele haben unser Leben vereinfacht: Flugzeug, Auto, Telefon. Ein Schüler kann sich die Welt schon gar nicht mehr ohne das Internet vorstellen. Andere werden noch grundlegender. „Ohne die Erfindung des Buchdrucks würden wir heute nicht hier sitzen“, prognostiziert ein Wissenschaftler aus dem Sudan. Ähnlich sieht das ein älterer Mann, für den das Rad die größte Erfindung ist. Kritisch wendet dagegen jemand ein:„Ich kenne viele Erfindungen, die mein Leben komplizierter gemacht haben“, womit wir mitten in der Diskussion sind. Was bringt uns die Wissenschaft und was nicht?
„Die Wissenschaft kann mehr Fragen beantworten als wir denken, aber weniger als wir hoffen“, postuliert ein Ingenieur aus Ungarn. „Sie kann zum Beispiel keine Antworten auf ethische Fragen geben“. Dafür erntet er Zustimmung. Was ist mit Kriegen und Verteilungskonflikten? Was kann die Wissenschaft hier beitragen? Eine ältere Dame argumentiert, dass jede Erfindung bloß wieder neue Probleme mit sich bringt. Geradezu nostalgisch spricht sie von der Einfachheit vorwissenschaftlicher Zeiten.
Ein Apotheker reagiert empört. „Würden sie in ihrem Alter noch hier sitzen ohne die Wissenschaft?“, fragt er und kann die Skepsis seiner Vorredner nicht verstehen. „Ich hätte vieles vermisst, wenn ich mit vierzig gestorben wäre“, bestärkt ihn eine andere.
Ein weiterer führt an, dass der Mensch zum Überleben schon immer innovativ sein musste. Als Mängelwesen der Evolution brauche er technische Hilfsmittel. Darin ist man sich weitestgehend einig, doch das Wissen allein genügt nicht. In heutiger Zeit spielt auch die Politik eine zentrale Rolle. So weißt jemand darauf hin, dass ein Mittel gegen Malaria nur dann hilft, wenn auch der Wille da ist, dieses einzusetzen. Und nur weil Erkenntnisse zum Klimaschutz vorliegen, macht sich ein Präsident Trump diese noch nicht zu eigen. Weiter argumentiert ein anderer, dass es auch darum geht, wie das Wissen verteilt ist und wer davon profitieren kann. „Die Frage ist, was wir aus dem Wissen machen“.
Manchmal wird etwas erfunden, das erst später seine Verwendung findet. Ein positives Beispiel nennt der ungarische Ingenieur. „Das Internet war ursprünglich eine militärische Erfindung zur Steuerung von Raketen“. Heute fördert es den Austausch zwischen Milliarden von Menschen. Gleichzeitig befürchtet er, dass die heutige Wissenschaft zu sehr auf praktische Erwägungen ausgelegt ist. Wichtige Grundlagenforschung wie zur physikalischen „Stringtheorie“ werde nicht mehr ausreichend finanziert. Dagegen hält ein anderer: „Was wir brauchen, ist eine praxisorientierte Wissenschaft“ und kritisiert, die Wissenschaftler, die „nur rumsitzen und reden“. Er meint damit die Sozialwissenschaftler.
Praktische Erwägungen hin oder her, was unbeantwortet bleibt, ist die Frage nach den ethischen Grenzen der Wissenschaft. „Gibt es irgendwo einen Punkt, an dem wir einen Weg, den wir gehen könnten, meiden sollen?“, fragt der sudanesische Wissenschaftler. Darüber könnte man trefflich weiterdiskutieren, doch da ist die Zeit schon um.
Die „Discussion Group“ trifft sich jeden Dienstag um 18 Uhr in der Bibliothek des DAI, um aktuelle Themen aus Politik, Ethik und Gesellschaft zu diskutieren. „Dazu gehören Menschen aus allen Schichten“, erzählt ein Teilnehmer, der selbst seit Jahren dabei ist. „Etwa ein Drittel der Leute sind Stammgäste, aber es kommen auch immer wieder Neue“. Wie an diesem Abend, als neben dem überwiegend älteren Publikum eine Gruppe Schüler da war. Ein paar diskutierwillige Studenten würden sicher auch nicht schaden.
Von Justin Reuling