Trotz massiver Proteste hat der Landtag die Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer sowie Zweitstudiengänge beschlossen.
Am letzten Aprilsamstag noch hatten rund 230 Studierende in der Heidelberger Innenstadt gegen das umstrittene Gesetz von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer demonstriert, nun ist es trotz aller Kritik beschlossene Sache: Ab dem Wintersemester 2017/18 wird an den Hochschulen Baden-Württembergs die so genannte „Campus-Maut“ gelten.
Diese sieht für Nicht-EU-Ausländer eine Gebühr von 1500 Euro pro Semester sowie bei allen Studierenden für die Aufnahme eines Zweitstudiums von 650 Euro vor. Die knapp 20 000 internationalen Studierenden, die bereits jetzt in Baden-Württemberg studieren, sollen hierbei nicht betroffen sein, finanziell benachteiligten Neubewerbern solle zudem durch Stipendien und Ausnahmeregelungen ein Studium weiterhin ermöglicht werden.
Als Rechtfertigung für die Regelung, welche bundesweit bisher einen Einzelfall darstellt, geben Befürworter eine international übliche Praxis von Studiengebühren sowie deren Beitrag zu einer besseren Finanzierung der Universitäten an.
Das Geld soll das Loch im Landeshaushalt stopfen
Hier setzt jedoch bereits der erste Kritikpunkt an: Von den insgesamt 35 Millionen, die jährlich durch die Gebühren eingenommen werden sollen, werden voraussichtlich nur 7 Millionen an die Hochschulen fließen – ein Hauptaugenmerk liegt also offensichtlich vor allem auf einer Stärkung des Haushaltes.
Auch Experten aus dem Bereich der Entwicklungspolitik schlagen Alarm: So gefährde die Regelung die für Entwicklungsländer so wichtige Ausbildung von qualifizierten Fachkräften und führe zu sozialer Diskriminierung. Die in dem Gesetz formulierten Ausnahmeregelungen umfassen laut des Dachverbandes Entwicklungspolitik Baden-Württemberg hierbei nur sehr wenige der betroffenen Studierenden.
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Chronik Campus-Maut
Januar 2005: Bundesverfassungsgericht kippt Studiengebührenverbot im Hochschulrahmengesetz
Dezember 2005: Baden-Württemberg beschließt allgemeine Studiengebühren, Studierende zahlen ab Sommer 2007 500 Euro pro Semester 2006 – 2008: Proteste und Boykott-Versuche der Studierenden
März 2011: Grün-Rot kündigt nach Wahlsieg Abschaffung der Studiengebühren an
Dezember 2011: Landtag beschließt das Ende der Studiengebühren
2013: Bei den Grünen kommt erstmals Debatte um Campus-Maut für Ausländer auf
Oktober 2016: Theresia Bauer stellt Pläne für neue Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer und Zweitstudiengänge vor
Mai 2017: Landtag verabschiedet neue Campus-Maut[/box]
Und tatsächlich scheinen sich bereits jetzt erste Folgen bemerkbar zu machen: Laut des World University Service haben sich zum Sommersemester 2017 43 Prozent weniger internationale Studierende aus Drittstaaten an Universitäten in Baden-Württemberg eingeschrieben und seien stattdessen vermehrt auf Universitäten in anderen Bundesländern ausgewichen. Dieser Rückgang sei auch für das Bundesland selbst auf Dauer negativ und brächte „erhebliche Nachteile für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg“ mit sich. Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft schließt sich der Kritik an und bewertet die Gebühren aus politischer Sicht „in Zeiten des aufkeimenden Rechtspopulismus“ als fragwürdig, heißt es in einer Erklärung.
Rektor Eitel plädiert für die Einführung einer allgemeinen Studiengebühr
Ganz anders beurteilen dies die Rektoren der Hochschulen, unter ihnen der Rektor der Universität Heidelberg, Bernhard Eitel. Dieser sieht Baden-Württemberg mit dem neuen Gesetz in einer Vorreiterrolle für den Rest Deutschlands und würde die Gebühren am liebsten noch weiter fassen: So plädiert Eitel auf langfristige Sicht für eine Wiedereinführung der allgemeinen Studiengebühren für alle Studierenden. Diese waren erst 2012 unter der grünen Landesregierung abgeschafft worden. Das geschah damals mit der Begründung, man wolle künftig einen „fairen Hochschulzugang ohne finanzielle Hürden“ für alle schaffen. Dass nicht nur Studierende diese neue Regelung eher weniger „fair“ finden, wird auch durch eine Online-Petition deutlich, in der sich kürzlich rund 15 000 Unterzeichner gegen das Gesetz aussprachen. Im Hinblick auf die Gebühren für Nicht-EU-Ausländer, aber auch auf eine eventuell drohende Rückkehr zur allgemeinen Studiengebühr, ist also auch zukünftig von verschiedenen Seiten Kritik und Widerstand zu erwarten.
Von Marie-Thérèse Roux