Bock auf Bokken: Beim Hochschulsport kann man die japanische Schwertkampfkunst ausprobieren
Die Gruppe der Teilnehmenden kniet in der Turnhalle in einer Reihe mit Blick in den Innenraum. Aufgefordert, die Gedanken an den Alltag hinter sich zu lassen, fokussieren sich die Anwesenden auf ihr inneres Zentrum. Es senkt sich eine Ruhe über den Raum bis der Trainer zur Begrüßung „Shikin haramitsu daikomyo!“ spricht. Diese Formel lässt sich nur schwer wörtlich übersetzen, im Kern beinhaltet sie jedoch eine Bitte um Erleuchtung. Die Worte werden von den Schülerinnen und Schülern wiederholt, danach klatschen sie zwei Mal in die Hände, gefolgt von einer Verbeugung.
So beginnt die erste Unterrichtsstunde Kashima Shin-Ryu Kenjutsu. Die Sportart wird seit diesem Semester im Hochschulsport angeboten. Der erste Teil des Namens, „Kashima Shin-Ryu“, ist dabei die Bezeichnung einer alten japanischen Kampfkunstschule, deren Lehren bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen. „Kenjutsu“ repräsentiert den Aspekt des Schwertkampfes. Holzschwerter, die sogenannten Bokken, werden dabei als Waffen verwendet.
Doch bevor gekämpft wird, lernen die Teilnehmenden, wie man das Bokken richtig hält und führt. Dies mag einfach klingen, doch die Möglichkeiten, Fehler zu machen, reichen dabei vom verkehrt herum Halten der Waffe bis zu Ausrutschern, die in blauen Flecken resultieren können. Ein Gefühl für Abstände und die Energie, die für einen Schlag nötig ist, entwickelt sich erst mit der Zeit. Hier werden die Vorteile der Zusammensetzung dieses Kurses deutlich. Er besteht zu ungefähr gleichen Teilen aus Anfängerinnen und Anfängern sowie Fortgeschrittenen, die schon seit längerer Zeit Aikido trainieren, eine Sportart, die Aspekte mit Kashima Shin-Ryu Kenjutsu teilt. Aikido ist mehr auf Wurftechniken fokussiert, jedoch ist auch der Kampf mit Waffen teilweise darin enthalten.
Aikido wird seit über 30 Jahren in Heidelberg angeboten und die Gemeinschaft ist mit Verbindungen zu anderen Kenjutsu-Gruppen in Russland, Polen sowie Japan gut international vernetzt.
Die neugebildete Gruppe, die sich zum Schwertkampftraining eingefunden hat, bringt Teilnehmende mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zusammen. Das ist jedoch geradezu ideal, da sich so ein grundlegendes Prinzip des Kashima Shin-Ryu Kenjutsu verwirklichen lässt. Dies ist die Idee vom paarweisen Lernen, wobei die unerfahrene Person zunächst durch Beobachten und später durch Kopieren des Fortgeschrittenen lernt. Da es keinen zwingend vorgefertigten Trainingsplan gibt, können Trainingseinheiten aufgeteilt und dem persönlichen Tempo angepasst werden, sodass schließlich die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, ihren eigenen Weg zu finden.
Das Ziel bestehe nicht in einer Ausbildung zum Kämpfer, weshalb die Bezeichnung „Kampfsport“ an dieser Stelle eher irreführend sei, wie Erik Hartmann, Leiter der Kenjutsu-Gruppe, anmerkt. Im Kashima Shin-Ryu Kenjutsu werden keine Wettkämpfe oder Weltmeisterschaften ausgetragen – die Sportart soll vor allem eine Möglichkeit bieten, ein fokussierter Mensch zu werden. Dieses jahrtausendealte Prinzip vom Formen des Charakters durch körperliche Betätigung ist bis in die heutige Zeit und den Kurs in Heidelberg zu spüren.
[box type=“shadow“ ]Die Trainingszeiten sind jeden Donnerstag im Semester von 19:30 bis 21 Uhr in der Turnhalle der Theodor-Heuss-Realschule (Plöck 105). Die Teilnahme ist ohne vorherige Anmeldung jederzeit möglich. Informationen auf der Webseite des Hochschulsports [/box]
Von Nele Bianga